Die Monatsbotin März 2017 // Notizen aus dem vierten Stock

Hier kommt die einundvierzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen:  Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten …

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Was war?

Ein sehr kurzer, arbeitsreicher Monat liegt hinter mir – zunächst einmal angefüllt mit einigen Lektoraten. Das bedeutet, dass ich Texte von anderen (angehenden) Autoren unter die Lupe nehme, genau lese und im Hinblick auf Struktur, Sprache und Inhalt analysiere und dann mit Empfehlungen, Fragen und Verbesserungsvorschlägen versehe. Gerade die konzeptionelle und strukturelle Arbeit an nicht-eigenen Texten macht mir immer besonders viel Spaß, da ich daran selbst auch meine Wahrnehmungsfähigkeit immer wieder neu schärfen kann. Manchmal krankt ein nicht gut lesbares Buch vorrangig am Aufbau, und wenn der passend umgestellt ist, liest sich das ganze Werk manchmal viel flüssiger und klarer.

Der Unterschied zwischen Lektorat und Korrektorat besteht übrigens darin, dass Letzteres nur darauf abzielt, orthographische Fehler und Ähnliches zu finden und zu verbessern. Damit habe ich mir früher, vor vielen Jahren, zeitweilig mein Studium mitfinanziert – eine anstrengende, weil hochkonzentriete Tätigkeit, die aber trotzdem viel Spaß gemacht hat. Auch heute noch werden Bücher von wirklichen Menschen korrekturgelesen, nicht von Rechtschreibprogrammen, wie manche Leute glauben. Und eigene Texte kann man grundsätzlich nicht selbst ordentlich korrekturlesen, weil unser Hirn uns vorgaukelt, dass wir das vor uns sehen, was wir hatten schreiben wollen – nicht das, was wir wirklich geschrieben haben.

So, das als kleiner Exkurs; zurück zum Monat Februar, in dem ich dann nicht für zehn Tage, aber immerhin sieben in Klausur ging, und zwar im heimatlichen Meppen an der Ems, wo ich mich eingehend mit meinen Plänen und Ideen für dieses und das kommende Jahr befasste (und zwischendurch mein dort lebendes Mütterlein besuchte). Und da steht einiges an, aber nun kommt mir leider mein kleiner Aberglaube dazwischen, der mir einflötet, nicht über noch nicht ausgegorene Pläne zu sprechen – so kann ich also doch noch nicht genau berichten, was in diesem Jahr an Schreibarbeit ansteht. Aber das dürfte sich in der nächsten Monatsbotin schon anders darstellen. Ein bisschen Geduld also bitte noch!

Ein ganz neues Buch aber lag in diesem so wechselhaften Monat Februar dann endlich für mich in der Post: „Frieda Fricke, unmöglich!„, mein neues Kinderbuch ab 8 Jahren, soeben erschienen im Kosmos-Verlag.

Darin geht es um freche Mädchen, segelohrige Jungs, tüdelige Tanten, alte Kühe, die dringend ein Altersheim brauchen, aber nicht nur die …. Der Roman spielt in meiner alten Heimat Schleswig-Holstein, genau gesagt, in Wewelsfleth, wo ich zweimal das Vergnügen hatte, dank des Alfred-Döblin-Stipendiums in Günter Grass‘ ehemaliger Wirkungsstätte an meinen Büchern zu arbeiten. Die damalige Haushaltshilfe Lore R. wiederum, mit der ich seit 1997 Briefkontakt halte, lebte in einem sogenannten Husmannshus, einem riesigen alten Gutshof mit Reetdach und Lehmfußboden. In dem aus zwei solchen Häusern und zwei Schuppen bestehenden Ensemble am Außendeich Nr. 4 wurde seinerzeit Theodor Storms „Schimmelreiter“ gedreht, in „Frieda Fricke“ ist es nun Frieda, die dort mit ihren beiden Tanten, Hund Lupo und sechs alten Milchkühen wohnt. Leider ist das gesamte denkmalgeschützte Ensemble vor einigen Jahren abgebrannt; nur noch eine Tafel erinnert an diese geschichtsträchtigen Gebäude. Und „Frieda Fricke“ natürlich!

Und was kommt?

Als nächstes ein ganz besonderer Schreibworkshop: Vom 3. bis zum 5. März leite ich auf Einladung der Stiftung „Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern“ in Büttelkow unweit der mecklenburgischen Ostseeküste den Workshop „un_sichtbar – queere Geschichte(n) aufgeschrieben!“, in dem das queere Leben in Mecklenburg-Vorpommern thematisiert werden wird. 15 Teilnehmer*innen – fast zweimal soviele hatten sich dafür anmelden wollen – werden dabei Texte verfassen, die das eigene Erleben in den Vordergrund stellen. Daraus wird dann später eine Broschüre entstehen – und die Texte werden auch teils in eine geplante Wanderausstellung zum Thema un_sichtbar: Lesben, Schwule und Trans* in Mecklenburg-Vorpommern – Lebensrealitäten, Ausgrenzungserfahrungen und Widerständigkeiten Einlass finden.

Danach geht es wiederum an das Lektorat dieser und anderer Texte. Aber lesen werde ich auch: am 21. März in der Janusz-Korczak-Bibliothek Pankow aus „Liebe macht Anders“ und am 25. und 26. März auf der Leipziger Messe – aus „Frieda Fricke, unmöglich!“

Einen sonnigen März wünscht Karen-Susan Fessel!

Öffentliche Termine im März:  25. März, 16h und 26. März, 15h, Messe Leipzig, Lesebude 1, Halle 2, Stand G317/H310: Lesungen aus „Frieda Fricke, unmöglich!“

Onlineworkshops: Die neuen Kreativ-Quickies starten am 6. März und 2. Mai – Informationen und Anmeldung auch für die weiteren  Workshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ sowie Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

Ausgelesen:  Don Winslow: Missing. New York / Ein hochgradig spannender Krimi des altgedienten Autoren, von dem ich noch nie zuvor etwas gelesen habe. Sehr dialoglastig, aber die Geschichte um ein entführtes Kind hat mich derartig gefesselt, dass ich das Buch im wahrsten Sinne des Wortes kaum aus der Hand legen konnte. // James Salter: Alles, was ist / Von Salten hingegen hatte ich schon zwei Bücher mit Begeisterung gelesen, vor allem die wunderbar feine Sprache in „In der der Wand“ hat mich begeistert. Umso enttäuschter bin ich nun von seinem vielgerühmten Alterswerk. Auf 368 Seiten breitet der Autor zahllose dahinplätschernde angerissene Biografien aus, folgt seinen Figuren beliebig und beliebig lang, jede neue auftauchende Person wird ein bisschen beschnüffelt und dann wieder stehengelassen. Über die Wahllosigkeit in der Perspektive habe ich mich richtiggehend geärgert. Der Roman ist weniger ein Roman  als eine schwatzhafte Aneinanderreihung von Biografiefetzen und hinterlässt bei mir den Eindruck, der Autor habe sich spontan irgendwelchen Einfällen hingegeben, ohne sie wirklich zu durchdenken: „Ach, zu der Person fällt mir jetzt dies ein, zu der nächsten eben mal das …“ Ein radikales Alterswerk, wie in jeder zweiten Rezension begeistert zu lesen war? Radikal ärgerlich. // Donald Ray Pollock: Das Handwerk des Teufels / Richtig erfreulich hingegen diese Neuentdeckung für mich: Pollock erzählt wirklich in radikal schonungsloser Prosa vom White Trash Amerikas. Kein Krimi, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein soghafte Geschichte über eine Welt, die ich liebend gern für erfunden halten würde, von der ich aber vermute, dass es sie leider tatsächlich gibt. // Donald Ray Pollock: Knockemstiff / Also las ich gleich noch den hochgelobten Erstling Pollocks hinterher, der sich aber als Ansammlung von teils leider zu überspitzt und dadurch unglaubwürdig konstruierten Erzählungen erweist. Hier übertreibt es der Autor mit seiner Fabulierkunst deutlich; sein Erzähltalent blitzt jedoch schon deutlich auf. Wie schön, dass manche Autoren sich nicht als Eintagsfliege erweisen, sondern weiterentwickeln. Deshalb freue ich mich schon auf den eben auf deutsch erschienenen dritten Roman Pollocks, der schon auf meinem Nachttisch bereit liegt …

Neues Kinderbuch: „Frieda Fricke, unmöglich!“

Endlich ist es erschienen – mein neues Kinderbuch ab 8 Jahren: „Frieda Fricke unmöglich“ – mit vielen feinen Zeichnungen von Mareikje Vogler (Kosmos Verlag). Spielt in meiner alten Heimat Schleswig-Holstein und handelt von frechen Mädchen, Jungs mit Segelohren, eingebildeten Großbauerntöchtern und alten Kühen – für die es wohl dringend ein Altersheim geben muss … aber nicht nur für die …
https://www.kosmos.de/…/kinde…/8214/frieda-fricke-unmoeglich

Die Monatsbotin Februar 2017 // Notizen aus dem vierten Stock

Hier kommt die vierzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen:  Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten …

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Was war?

Erstmal ein wenig eleganter Start ins neue Jahr: Pünktlich am ersten Morgen des neuen Jahres erwachte ich mit Schnupfen, Husten und Heiserkeit, wozu sich im Laufe des Tages noch weitere Symptome dazugesellten. Mit einer handfesten Erkältung im Gepäck brachte ich also meine liebe Mutter nach den gemeinsam in Berlin verbrachten Feiertagen zurück ins heimatliche Emsland, um mich dort im Hotel meiner Wahl drei Tage gesundzuschlafen. Jedenfalls einigermaßen, sodass ich die Rückreise in die Hauptstadt wieder antreten konnte. Dort nämlich stand zunächst die Renovierung der Küche an, die sodann von Vermieterseite mit einem komplett neuen Fußboden bedacht wurde. Jetzt schreite ich also über gepflegtes helles Linoleum in mein an die Küche angrenzendes Büro und kann dabei immer einen Blick auf dieses neu erstandene Gemälde des schwedischen Malers Carl Gunne werfen:

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So, nun kann aber niemand mehr sagen, dass ich keine privaten Dinge in diesem Blog mitteilen würde …

Die dritte Woche des Monats verbrachte ich dann mit allerlei kleineren Lektoratstätigkeiten, um am 22. Januar wieder einmal auf Einladung des Volksschulamtes des Kantons Zürich für eine Woche in die Schweiz zu reisen. Diesmal gab es jedoch – nach fünfzehn vorangehenden Reisen, in denen ich jeweils 14 Lesungen abhielt – eine höchst interessante Neuerung: Neben zehn Schullesungen leitete ich auch zwei je vierstündige Schreibworkshops, einen davon für Achtklässler der Sekundarschule Dübendorf, den anderen für 15- bis 18-jährige des Oberstufenzentrums Lengg, das von SchülerInnen besucht wird, die aufgrund verschiedener traumatischer Erlebnisse oder Krankheitserfahrungen nicht (mehr) in einer regulären Schule beschulbar sind. Das war bewegend und spannend, zudem aber auch – trotz der kurzen Dauer – sehr produktiv. Zahlreiche kürzere Texte zu zum Teil sehr schwierigen Themen entstanden dabei, aber auch der Spaß kam bei beiden Workshops nicht zu kurz.

Besonders in Erinnerung bleiben wird mir auch die zehnte und letzte Lesung in dieser Woche an der Heilpädagogischen Schule in Humlikon, wo ich das Vergnügen hatte, vor gut zwei Dutzend Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung, umfassender Lernbehinderung oder Entwicklungsverzögerung aus „Ein Stern namens Mama“, „Und wenn schon“ und „Achtung, Mädchen gesucht!“ vorzulesen. Eine rundum gelungene Lese- und Workshopreise, die mir bei aller Anstrengung wieder einmal viel Freude bereitet hat.

Erholen konnte ich mich davon bei einem spontanen zweitägigen Kurzurlaub mit Schlitten, Kind, Hund und der Liebsten im von mir noch nie zuvor bereisten tief verschneiten sächsischen Erzgebirge: Bad Gottleuba, die Festung Königstein, Bad Schandau, das fein renovierte Pirna und die weltberühmte Bastei mit Blick auf das Elbsandsteingebirge und die Elbe waren die Stationen unserer kleinen, feinen Reise.

Und was kommt?

Zunächst warten noch weitere Lektoratsarbeiten auf die Inangriffnahme, dann aber geht es an die literarische Arbeit: Der neue Roman und die Planung für die nächsten ein, zwei Jahre stehen an. Dazu werde ich mich jedoch aus meiner gewohnten Umgebung zurückziehen und zehn Tage abtauchen. Was dabei herausgekommen ist, erzähle ich dann in der nächsten Monatsbotin …

Einen knackig kalten und dabei höchst gemütlichen Februar wünscht Karen-Susan Fessel!

Öffentliche Termine im Februar: Leider keine öffentlichen Termine in diesem Monat!

Onlineworkshops: Die neuen Kreativ-Quickies starten am 6. Februar und am 6. März – Informationen und Anmeldung auch für die weiteren  Workshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ sowie Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

Ausgelesen:  Yeonmi Park: Meine Flucht aus Nordkorea / Über kaum ein Land wusste ich weniger als über Nordkorea, und so geht es mir sicherlich nicht allein. Dieses sehr gut erzählte Buch über Leben und Flucht der Mittzwanzigerin hat mich einerseits aufgeklärt, andererseits in atemloser Spannung gehalten. Sehr zu empfehlen! // Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war / Seit gut zwei Jahren steht es in meinem Regal, endlich hab ich es gelesen, und das hat sich gelohnt: Meyerhoffs höchst vergnügliche, kurzweilige und fantasievolle Schilderung seiner Kindheit und Jugend auf dem Gelände einer Nervenheilanstalt macht Lust auf mehr … // Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch. Amerika / … und so las ich gleich im Anschluss den ersten Band der auf sechs Werke angelegten autobiographisch geprägten Reihe um den turbulenten Werdegang des angehenden Schauspieler und Autoren. Dieser hier erzählt den einjährigen Amerikaaufenthalt des Verfassers, wirkt deutlich schwächer als der zweite Band, glänzt aber in den Passagen, die sich mit Tieren und Trauer befassen. Wie Meyerhoff vom Besuch in einer chinesischen Metzgerei erzählt, wird mir – leider – noch lange haften bleiben. // Marjaleena Lembcke: Wir bleiben nicht lange / Die deutsch-finnische Autorin ist mir als wunderbare Kinder- und und Jugendbuchautorin schon bekannt. Als Belletristin aber finde ich sie mindestens genauso gut: Die Geschichte um die beiden Schwestern, von denen die jüngere an Krebs sterben wird und die Ältere versucht, sie in ihren letzten Wochen im Krankenhaus dabei zu begleiten, erhellt manch düsteren Gedanken, lässt aber anderes im Dunkeln, darunter auch die verworrene und traurige Familiengeschichte und die Details, die sich um den Suizid der Mutter der beiden ranken. Das ist gekonnt erzählt und ungemein berührend. // Lizzie Doron: Der Anfang von etwas Schönem / Und zugleich das letzte von jetzt insgesamt fünf Werken, die ich von dieser wunderbaren israelischen Autorin gelesen habe. Aus drei Perspektiven berichtet Doron vom scheinbar halt- und ruhelosen Leben der israelischen Nachkommen der Holocaustgeneration; dabei nimmt das Buch an einer Stelle eine derart überraschende Wendung, dass ich verdutzt aufgeschrien habe – in 47 Jahren als Leserin ist mir das noch nie zuvor passiert! // Anouk Markovits: Ich bin verboten / Dieses feinsinnig und ungemein spannend geschriebene Buch erzählt hingegen die Lebensgeschichte zweier jüdischen Holocaust-Nachkommen in den USA, umspannt insgesamt sieben Jahrzehnte und die Lebenswege von vier Generationen in Siebenbürgen, Paris und Williamsburg in Brooklyn. Mila und Atara wachsen als chassidische Jüdinnen in der streng orthodoxen Satmarer-Gemeinde auf; und während Atara sich aus dem strengen Regelkorsett befreit und damit auch all ihre sozialen und familiären Bindungen hinter sich lassen muss, versucht Mila, die Gebote um jeden Preis zu befolgen. Ihr unerfüllter Kinderwunsch aber kommt ihr dabei in die Quere … Wie religiöse Regeln und Gesetze ganze Generationen ins Unglück stürzen können, erzählt Markovits, die selbst im Alter von 19 Jahren ihre chassidische Familie verlassen hat, um einer arrangierten Heirat zu entgehen, mit großer Kraft und großem Mut.