Die Monatsbotin Juni 2020 / Notizen aus dem vierten Stock

Hier kommt die achtundsiebzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Was war?

Und nun liegt auch der erste Corona-Mai aller Zeiten hinter mir, der einige Lockerungen mit sich gebracht, mich aber – wie nahezu alle Kreativarbeitenden, die ich kenne – weiter in einer Art höchst uninspiriertem Schwebezustand gehalten hat. Und das liegt nicht nur daran, dass ich nicht wie sonst seit mehr als fünfundzwanzig Jahren zu Lesereisen unterwegs bin, sondern mehr oder minder zu Hause. Abgesehen von einer kurzen Recherchereise, die ich mit einem langersehnten Besuch bei meinem lieben Mütterchen im schönen Meppen an der Ems verbinden konnte. Dort jubilierten die Bäume, Sträucher und Blumen in schönster Maienblüte, das absolute Highlight für mich aber war die Entdeckung zweier junger Sumpfohreulen-Ästlinge in der höchsten Eiche im Marschgebiet nahe der Ems weit und breit. Das wollte ich mein Leben lang schon einmal sehen: flauschige Eulenküken, die aus dem Nest entschlüpft noch für zwei, drei Wochen auf einem Ast hoch oben hocken und von den Eltern mit frischen Mäusen versorgt werden. Die Fütterung konnte ich dann auch noch zweimal beobachten, während die junge Eulen wiederum mich immer wieder augenzwinkernd betrachteten. Eindrucksvoll!
Auch in Berlin grünt und blüht es; leider nimmt der Verkehr wieder deutlich zu. Aber aus meinem Zimmer im vierten Stock kann ich tatsächlich auch zwei Vogeljunge betrachten, die von den Eltern gefüttert werden, allerdings handelt es sich hier um gewöhnliche Berliner Nebelkrähen, und Mäuse werden in der sich wiegenden Birke vor meinem Fenster auch nicht verzehrt, sondern vermutlich eine Art proteinreicher Insektenbrei. Freude habe ich dennoch daran, als ausgesprochene Vogelliebhaberin gefallen mir all diese flatternden Wesen gut.

Abgesehen von meinen ornithologischen Studien war ich natürlich auch beruflich beschäftigt: zum einen mit den laufenden Online-Workshops (ja, andere Menschen schreiben im Moment sehr kreativ!), zum anderen mit dem technischen Rüstzeug, das ich brauche, um eigene Podcasts oder Hörbücher einzusprechen. Das geht nur langsam voran, das aber liegt auch daran, dass ich mich Mitte Mai dann endlich einer lange anstehenden kleinen Handoperation unterzogen habe. Das Karpaltunnelsyndrom ereilt nicht wenige tippende oder handwerklich kleinteilig arbeitende Menschen, doch nach einer halbstündigen ambulanten Operation konnte ich schon wenige Tage später wieder alle Finger der linken Hand bewegen, wenn auch noch sehr eingeschränkt. Bis alles wieder in Ordnung ist, dauert es noch ein paar Wochen, und wenn es gut läuft, ist im Herbst oder Winter die andere Hand dran.

Eine Neuveröffentlichung gibt es auch noch zu vermelden: Zu Pippi Langstrumpfs 75. Geburtstag – genauer gesagt, zum 75-jährigen Jubiläum der deutschen Erstausgabe von Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker „Pippi Langstrumpf“ erschien soeben der schwergewichtige Band „Pippi Langstrumpf – Heldin, Ikone, Freundin“ im Oetinger Verlag, mit meinem vierseitigen Beitrag „Regenbogensocken für Pippi“. Kein Buch für Kinder, der schwere Brocken, sondern eins für Liebhaber*innen, Fachleute und Menschen, denen Pippi etwas bedeutet (hat), mit Beiträgen namhafter und auch weniger namhafter Autor*innen – eine bunte Mischung, genau wie Pippis Lieblingsbonbons!

Und was kommt?

Weitere Lehrstunden in Sachen Aufnahmetechnik stehen an, in mühevollem Eigenunterricht, aber auch ein paar Coachingstunden werde ich mir gönnen. Aber wann dann nun der erste Podcast erscheint, wage ich noch nicht festzulegen. Die Zeichen stehen eher auf Herbst/Winter, denn sprechen kann ich ja auch mit einer Hand!

Das im letzten Monat erwähnte Bilderbuch muss noch überarbeitet werden, und das Konzept für das Reportagebuch ist zwar abgesegnet, aber die Finanzierung steht noch aus. Außerdem werde ich mich in diesem Monat Juni an erste Überlegungen zu meinem nächsten Roman machen. Auch ein geplantes Kinderbuch will überdacht werden. Und: Nach all den Veranstaltungsabsagen gibt es nun einen kleinen Lichtstreif am Horizont: Die Sommerakademie im Juli in der Akademie Waldschlösschen soll stattfinden, und eine Lesung in der Stadtbücherei Berlin-Tempelhof wurde wohlweislich auf den Dezember verschoben – und nicht einfach abgesagt. Das ist doch schon mal was!

Einen hoffnungsvollen Juni wünscht Karen-Susan Fessel!

Online Workshops: Die nächsten Kreativ-Quickies starten am 2. Juni und am 3. August; Informationen und Anmeldung auch für die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

Ausgelesen Dror Mishani: Vermisst – Avi Avraham ermittelt. München, dtv (2015) / Avraham Avraham, einsamer Komissar aus Tel Aviv, verschätzt sich kolossal, als er die Mutter eines vermissten 16-Jährigen mit beruhigenden Worten wieder nach Hause schickt. Denn der Junge taucht tatsächlich nicht wieder auf, und neben seiner unerwiderten Liebe zu einer Kollegin hat Abraham auf einmal eine vollkommen in die Irre führende Ermittlung am Hals … Schon lange wollte ich mal einen israelischen Krimi lesen, aber mit dem Erstling der preisgekrönten Reihe um den von Selbstzweifeln zerfressenen Ermittler Avraham habe ich wohl nicht den allerbesten Griff getan. Mishanis Held hat derart viel mit seinen inneren Nöten zu tun, dass von der Krimihandlung selbst, würden diese herausgestrichen, wohl kaum mehr als ein Fünftel übrigbliebe. Auch sein Gegenspieler strotzt vor seelischen Problemen, das war mir dann doch etwas zu viel der zähen Klagen. // Ursula Ott: Das Haus meiner Eltern hat viele Räume: Vom Loslassen, Ausräumen und Bewahren. München, btb 2019 / Der kurzweilige Bestseller der „Chrismon“-Chefredakteurin liest sich wie in einem Rutsch und handelt in flottem Tempo diverse Fragestellungen rund um den Auszug der alten Mutter aus ihrem großen Haus ab. Wie gelingt ein Neuanfang im Alter, was kann man zurücklassen, was bleibt von einem gelebten Leben? Otts Werk ist gut ein Jahr nach meinem eigenen Buch „Mutter zieht aus“ erschienen, behandelt eine ganz ähnliche Thematik, kommt ein wenig straffer und für mein Gefühl ein wenig unpersönlicher daher. Die geneigte Leserschaft möge entscheiden, in welcher Form sich beide Werke vielleicht ergänzen …