Die Monatsbotin: Notizen aus dem vierten Stock // April 2014

Hier kommt sie, die siebte Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg.

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Wer aber versehentlich auf dem Verteiler gelandet ist und schon viel zu viel zu lesen hat: Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Keine weiteren Einsendungen gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon herrscht gespenstische Ruhe im virtuellen Briefkasten …

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

 Was war?

Geschrieben habe ich, wie sich das für eine Schriftstellerin ja auch gehört, allerdings noch nicht am zweiten Herzblut-Band für den Kosmos-Verlag, der voraussichtlich im Januar 2016 erscheinen wird, sondern an beiden bereits in den vergangenen Monatsbotinnen erwähnten Büchern zum (zumindest vorerst) „privaten“ Gebrauch. Was nicht ganz stimmt, eines der beiden ist auf jeden Fall für eine Veröffentlichung gedacht, aber ich versuche damit gerade ein Experiment, das ich schon lange in Gedanken bewegt habe: ein Buch komplett fertig zu schreiben, ohne Druck und jegliche Einwirkungen von außerhalb, und es erst dann einem Verlag anzubieten. Die Vorstellung erschien mir immer wie purer Luxus; natürlich aus der Überlegung heraus, sozusagen im Geheimen, zum Vergnügen daran zu schreiben, ohne dass irgendjemand auch nur eine Ahnung hat, worum es gehen könnte.

Luxus auch deshalb, weil man natürlich die Zeit und auch das Geld haben muss, um ohne Vorschuss an einem Buch zu arbeiten. Da ich beides im Grunde aber nicht habe, habe ich schlichtweg mein Arbeitskonzept angepasst: Nun schreibe ich nicht am Stück, sondern immer nur ein bisschen, das aber am liebsten jeden Tag. Was wiederum auch nicht ganz aufgeht, aber immerhin, beide Werke – auch das ein Experiment, in der Regel schreibe ich immer nur an einem Buch, nie an zweien zugleich – gedeihen langsam vor sich hin. Buch 1 umfasst mittlerweile knappe dreißig, Buch 2 über siebzig Seiten. Ich hoffe, Buch 2 bis zum Sommer, Buch 1 bis zum Jahresende fertiggestellt zu haben. Die Monatsbotin wird es verraten … oder aber schamhaft verschweigen. Was sie ja auch darf, schließlich handelt es sich ja um private Projekte, ha!

Ansonsten bot der März einige Lesungen unterschiedlichster Couleur: einen ganzen Schwung Oranienburger Neuntklässler, sowohl Gymnasiasten als auch Gesamtschüler, die am 10. März mit großem Interesse über „Liebe macht Anders“ diskutierten, und das anlässlich der Neueinweihung der Oranienburger Kinder- und Jugendbücherei an neuer Stätte. Überaus gelungen finde ich die architektonische Lösung am neuen Standort gleich am Schlossplatz, mit viel Platz für Lesungen, Leser und Lesesessel …

Drei Tage später bestieg ich in aller Frühe den Intercity nach Leipzig, um zunächst weitere knapp hundert Neuntklässler des Mockauer Brockhaus-Gymnasiums mit Auszügen aus meinen Werken, vor allem aber „Liebe macht Anders“ zu erfreuen. Klappte gut, auch wenn die Zeit zum Diskutieren knapp bemessen war, denn flugs musste ich auch schon weiter zum Messegelände, um in der Lesebude 2 eine weitere Lesung darzubieten. Öffentliche Lesungen auf Messen sind – ähnlich wie die auf Volksfesten oder, schlimmer noch, in Shopping-Malls, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß – immer ein Risiko: Selten sitzen die passenden Altersgruppen im Publikum, sondern gern überdrehte Grundschulkinder mit ihrem lethargischen Lehrpersonal, erschöpfte Messebesucher, die nach einem Sitzplatz gesucht haben und sofort einschlafen, verwirrt gaffende Give-Aways-Jäger mit prall mit Katalogen gefüllten Einkaufstüten. Diesmal aber passte alles ganz gut; den Löwenanteil machte eine 8. Klasse aus Berlin aus, die interessiert zuhörte und sich sichtlich amüsierte. Irritiert war ich nur, als zwischendrin nacheinander drei Jugendliche unvermittelt aufsprangen. Sie rannten allerdings zum Büchertisch und erwarben je ein Exemplar, um es sich hinterher von mir signieren zu lassen. Sowas geht natürlich runter wie Butter.

Schön auch die Begegnung mit einer jungen Dame, die ich auf Anfang Zwanzig geschätzt hatte und für einen Fan meiner Erwachsenenromane hielt, bis sie mir beim Signieren erklärte, sie hätte schon letztes Jahr drei meiner Bücher gelesen und freute sich jetzt sehr auf „Liebe macht Anders“. Auf die Frage, welche drei, entgegnete sie: „Die drei Bücher mit Mike, Robin und Luke!“

Welche das sind? Wer es errät, bekommt ein Exemplar des ersten Bandes zugeschickt – natürlich ebenfalls signiert!

Dennoch hat die Messe wie immer einen komischen Beigeschmack bei mir hinterlassen. Bei meinem ersten Messebesuch in Frankfurt im Oktober 1994, nach Erscheinen meines Erstlings „Und abends mit Beleuchtung“, war es nicht anders: Es gibt wohl keinen anderen Ort, an dem der Schriftsteller nicht unweigerlich mit der Frage konfrontiert wird, welche Bedeutung sein eigenes Werk eigentlich hat. Ob zu den jährlich fast 100.000 Neuerscheinungen noch seins dazu kommt oder eben nicht, welche Rolle spielt das schon?

Nie wieder habe ich mich und meine Arbeit unwichtiger und belangloser empfunden als nach jenem Messebesuch im Jahre 1994. Und obwohl ich seither eine ganze Anzahl höchst umtriebiger und vergnüglicher Messebesuche hinter mir habe, empfinde ich bis heute noch jeden Messebesuch auf subtile Art als desillusionierend und (notwendiges) Übel. Wenn ich nicht muss, fahre ich nicht hin, aber wenn ich fahre, freue ich mich trotzdem darauf. Tja, Zwiespalt ist mein zweiter Name …

Nur einen Tag nach meiner Rückkehr aber folgte der Auftrieb in der Wahlheimat: Im Eisenherz Buchladen an neuer Stätte in der Motzstraße fand die Premiere von „Bronko, meine Frau Mutter und ich“ statt, stilecht mit Bronkos realem Vorbild Luki, unserem Shih-Tzuh-Mischling, an meiner Seite. Fragen beantwortete er hinterher zwar nicht, aber die große Mehrzahl des Publikums war von seinem gewinnenden Wesen dennoch äußerst betört.

Bei der nächsten Lesung am 26. März in der 10. Berliner ISS in Steglitz musste Luki zwar im Auto ausharren, aber dafür hatten wiederum gut hundert Achtklässler ziemlich viel Spaß mit Manfred aus „Und wenn schon!“, den sie schon zuvor im Rahmen ihrer Klassenlektüre kennen gelernt hatten. Entsprechend gut vorbereitet waren auch die Fragen der jungen Leute, von denen einige zum allerersten Mal ein ganzes Buch durchgelesen hatten – großteils mit Vergnügen, wie sie mir offenherzig verrieten. Einigen von ihnen hatte das Buch allerdings gar nicht gefallen. Warum nicht? Na, pfft, ein Buch lesen eben … Ist doch voll ätzend.

Aber vorzulesen bekommen, das fanden auch sie gut. Immerhin etwas!

 

Und was kommt?
Ausräumen und umräumen. Und aussortieren und renovieren, denn der Schreibtisch im vierten Stock zieht um – innerhalb der Wohnung. Nach zweiundzwanzig Jahren (!) verlagere ich meinen Arbeitstisch wieder ins Nordzimmer, wo ich zuletzt als Studentin, als die Wohnung noch stets drei bis vier jungen Leuten als WG diente, meine Ideen in schwarze Notizbücher einschrieb. Die hatte ich in diesen Tagen auch wieder in den Händen, als ich mein neues Büro einrichtete: das wiederum ist nun in der ehemaligen Speisekammer untergebracht, einem 3,50 Meter mal 1,10 Meter großem Raum neben der Küche mit großem Fenster. In liebevoller Handarbeit hat meine allerbeste Freundin Ingrid, ihres Zeichens Tischlerin, mir dort passgenau ein Regalsystem hineingezimmert, das nun alle meine Ordner, Kästen, Unterlagen, Schreibutensilien, Fotos und Dokumente in perfekter Übersicht beherbergt, inklusive großer Arbeitsplatte, über der die alte Arbeitslampe meines Vater nun alles ins rechte Licht setzt. Ich bin entzückt – ins Nordzimmer zieht nun also nur noch das Nötigste mit, Tagebücher, PC, Schreibutensilien und jede Menge Texte. So stelle ich mir das auch vor in einer richtigen Schreibkemenate, dazu zwei Regalreihen Bücher, ein bequemes Bett und ein Lesesessel, vorm Fenster rauscht die Birke … perfekt!

Nach Ostern dürfte alles fertig sein. Und erst dann geht es ans nächste Buch, den Herzblut-Roman, mit frischem Schwung und strengem Zeitplan, auch wenn noch viel Zeit bleibt bis zur Veröffentlichung. Schriftsteller aber brauchen ja immer mindestens zwei feste Konstanten: Disziplin und Durchhaltevermögen.

Na ja, und anderes auch: Liebe und Bindungen, Zuversicht, Spaß. Den werde ich übrigens noch an diesem Wochenende haben, beim 50. Geburtstag einer altgedienten Freundin, die mir ja nur gut acht Monate voraus hat …

Und natürlich steht außer Renovieren, feiern (darunter auch Ostern), umziehen und schreiben auch noch lesen und leiten an: am 8. April halte ich wieder einmal zwei Lesungen in meiner Lieblings-Grundschule „Menschenskinder“ in Schönwalde-Glien bei Berlin, und am 26. und 27. April freue ich mich auf eine kleine, feine Schar interessierter Damen zum Schreibworkshop „Biografisches Schreiben“ im wunderschönen schleswig-holsteinischen Bordesholm. Noch sind Restplätze frei!

 Öffentliche Termine im April:

8. April, Schönwalde-Glien, Grundschule Menschenskinder, 9h und 11h: Lesungen aus „GG-was ist das?“ und anderen Kinderbüchern // 26./27. April, Bordesholm, Galerie Göldner: Schreibworkshop „Biografisches Schreiben für Frauen“; Informationen und Anmeldung unter www.rundumkunst.de