Die Monatsbotin Juli 2018 // Notizen aus dem vierten Stock

Hier kommt die siebenundfünfzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten …

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Was war?

Ein überaus sonniger Juni, der mich mit einer gelungenen Mischung aus ruhigen Schreibphasen und reizvollen Reisen erfreute – und auf Trab hielt. Den Anfang machte eine Fahrt ins schöne Tübingen, wo mein erster und auch wieder derzeitiger Verlag, der konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, seit nunmehr 40 Jahren beheimatet ist. Das musste natürlich gefeiert werden, mit einem dreitägigen Fest, dessen Auftaktlesung ich bestreiten durfte – und so las ich am 8. Juni in der Begegnungsstätte Hirsch vor einem trotz der Hitze zahlreich eingetroffenen und fragefreudigen Publikum aus meiner derzeitigen Neuerscheinung „Mutter zieht aus“. Auch meine äußerst aktive Verlegerin Claudia Gehrke war anwesend und freute sich mit mir über die gelungene Lesung und die interessierten Fragen und Diskussionen. Das Thema – die langsam aussterbende Kriegskindergeneration und der Umgang der Kinder mit dem Altwerden der Eltern – stößt generell bei den Lesungen auf großes Interesse; vielleicht, weil die meisten Menschen ab dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt sich mit denselben Fragestellungen beschäftigen (müssen): Was bleibt von einem gelebten Leben, was bedeutet die Kindheit der eigenen Mütter für das Verhältnis der Generationen, was lässt sich auch im Alter noch positiv verändern?

Leider musste ich die zweite geplante Lesung am Abend dann wegen eines übel verdorbenen Magens absagen, aber dennoch war die Reise nach Tübingen ein wirklich schönes Erlebnis; und ich freue mich schon auf das 50-jährige Jubiläum des Verlages …

In der 25. Kalenderwoche, nach Tagen der intensiven Arbeit am gerade entstehenden Roman, ging es dann zum dritten Mal in eineinhalb Jahren wieder einmal auf Lesereise ins Saarland, das sich jetzt, im Juni, von seiner allerbesten, grünenden und blühenden Seite präsentierte. Auf dem Weg dorthin zeigte sich aber auch Rheinland-Pfalz im Sonnenschein, was ich nicht nur beim Übersetzen mit der Fähre über den Rhein in St. Goar bewundern konnte, sondern vor allem auch vom höchsten Punkt des Bundeslandes und des Taunus aus zugleich, dem Erbeskopf. Von dem ich zuvor noch nie gehört hatte. Ja, Reisen bildet!

Im Saarland selbst las ich zunächst am 20. in der wunderbar sortierten u Buchhandlung Bücherhütte in Wadern. Dem höchst interessierten Publikum wurde von der Inhaberin selbst gebackenes Gebäck gereicht; kein Wunder, dass die Buchhandlung 2016 den deutschen Buchhandlungspreis erhielt!

Die Lesung in der FrauenGenderBibliothek in der Landeshauptstadt Saarbrücken am Tag darauf war ein ebenfalls sehr schönes, gut besuchtes und heiß diskutiertes Ereignis, und Hund Luki machte bei beiden Events mal wieder eine hervorragende Figur.

Beim Schreibworkshop anlässlich des Hamburger Vorlesevergnügens in der Woche darauf allerdings war er dann nicht dabei, die Veranstaltung selbst aber machte dem Programmnamen alle Ehre: Geschrieben und vorgelesen wurde von den engagierten TeilnehmerInnen – Hamburger Gymnasiasten zwischen 10 und 16 Jahren samt zwei Lehrerinnen und einer Journalistin – mit großem Vergnügen!

Und was kommt?

Nein, noch kein Ferienmonat für mich, im Gegenteil! Aber neben dem Schreiben am Roman warten zwei meiner Lieblingsveranstaltungen auf mich:  die alljährlichen Schreibwerkstätten in der Akademie Waldschlösschen nämlich, und zwar vom 16. bis 19. im Rahmen des Bundespositiventreffens und in der Woche darauf bei der Sommerakademie. Beide sind seit längerem ausgebucht, die Wartelisten lang, und ich freue mich schon sehr auf die TeilnehmerInnen und ihre Texte.

Wer keinen Platz mehr bekommen hat: die Onlineworkshops sind die perfekte, höchst individuelle Alternative! Interessierte an „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ müssen zwar bis Mitte August warten, aber der Kreativ-Quickie läuft durchgehend weiter. Nichts wie ran also, gerade jetzt in der Ferienzeit!

Einen sonnigen Juli wünscht Karen-Susan Fessel!

Online Workshops: Die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ starten am 20. August und 17. September; der Kreativ-Quickie heute, am 2. Juli, am 20. August und am 17. September – Informationen und Anmeldung auch für die weiteren  Workshops sowie Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

Ausgelesen Henning Sußebach: Deutschland ab vom Wege – eine Reise durch das Hinterland / Davon hatte ich mir mehr versprochen: Der renommierte Zeit-Redakteur und vielfach ausgezeichnete Reporter unternimmt in seiner Langzeitreportage eine Wanderung durch Deutschland von der Ostsee bis zur Zugspitze mit dem erklärten Zielt, die 6,2 Prozent asphaltierter Fläche nach Möglichkeit zu meiden – also auch Straßen, gepflasterte Wege und dergleichen. Das klingt spannend, ist es auch, aber Sußebachs Dauerbeschwörung der stets unterschätzten Bedeutung des „kleinen Mannes“ verleidete mir schon nach dem ersten Viertel die Lesefreude. Ist ja gut, die Politiker sollten mehr auf die „einfache“ Landbevölkerung hören. Und ja, die Großstädter nehmen sich zu wichtig. Der Autor sich allerdings auch. // Leila Slimani: Dann schlaf auch du // Die Großstädter Myriam und Paul hingegen nehmen ihre Karrieren zu wichtig und stellen deshalb ein Kindermädchen für die beiden Kleinkindersprösslinge ein, eine Entscheidung mit fatalen Folgen. Denn die „Perle“ hat eine merkwürdige Vergangenheit und ein schräges Eigenleben, eine ungünstige Kombination, die in einer Katastrophe endet. Die eine französisch-marokkanische Schriftstellerin Slimani wurde für diesen sanften, vielschichtigen Roman vielfach ausgezeichnet, durchaus zu Recht. // Maylis de Kerangal: Die Lebenden repaieren / Diese französische Autorin wiederum hat sich ein absolut spannendes und rares Thema ausgesucht und ausgezeichnet in Szene gesetzt: Simon, 19, wird nach einem schweren Unfall als hirntot diagnostiziert. Seine Eltern müssen entscheiden: Soll Simon Organspender werden? De Karangal porträtiert nicht nur den Leidensweg der Eltern, sondern eine ganze Reihe von Menschen, die in eine Organtransplantation involviert sind. Gelegentlich ein wenig überfrachtet und zu detailliert, aber hochinteressant und virtous beschrieben! //Georg Metger: Für immer. Die unfassbare Tat von Rupperswil und ihre Folgen / Dieser Tatsachenbericht hingegen macht da weiter, wo Slimanis Roman aufhört: Metger zeigt in klaren Worten und ohne jegliche Überfrachtung auf, was Hinterbliebene einer Gewalttat zu erleiden haben. Der Lebensgefährte von Carla S., die mit ihren beiden Söhnen und der Freundin des Älteren im Dezember von einem pädophilen Sadisten überfallen und umgebracht wurde, stand lange unter Verdacht und schildert in diesem von Franziska Müller solide und locker aufgeschriebenem Text die Zerstörung einer Familie – für immer. // Thomas T. Blatt: Nur die Schatten bleiben. Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór / Warum, diese selbstgefällige und verständnislose Frage wird immer wieder gestellt, warum haben die Juden sich damals eigentlich nicht gegen die Nazischergen gewehrt? Haben sie ja – sofern sie überhaupt im Ansatz die Möglichkeit dazu hatten und Bescheid wussten, was sie erwartete. So in Sobibór, dem Vernichtungslager an der polnisch-ukrainischen Grenze. Während des einzigen Aufstandes wurde mehr als die Hälfte der SS-Besatzung von den Insassen getötet, ein Dutzend Bewacher verwundet. Von den 550 Insassen überlebten genau 35 am Ende das Lager, den Aufstand und die Flucht. Blatt, einer dieser wenigen Überlebenden, schildert äußerst spannend und klar die Ereignisse selbst, die Vorbereitungen und die Folgen. Unbedingt lesenswert! // Jakob Weiß: Treibholztage / Die Geschichte von Lasse, der nicht weiß, woher er kommt und wohin er gehört, nur, dass er sein Leben selbst in die Hand nehmen will – und das macht er dann auch, egal, was die anderen sagen: sein depressiver Ziehvater, die schrullige Puppenmacherin von nebenan, das geheimnisvolle Mädchen Ailo … Das Debüt des 17-jährigen Autors erinnert an einen Rohdiamanten: Es gibt noch einiges zu schleifen, aber sein künftiger Glanz und die Formschönheit sind bereits jetzt zu erkennen.