Hier kommt die hundertsiebte Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Habe ich nicht gerade in der letzten Monatsbotin über „OUT! 500 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle“ berichtet, jenes legendäre Nachschlagewerk, das ich 1997 zusammen mit meinem guten Freund Axel Schock verfasst und womit ich versehentlich fast den Querverlag in den Ruin getrieben habe? Ebendieser Axel hat nun – sehr verdient, wie ich finde – soeben den Medienpreis der Deutschen Aids-Stiftung für sein journalistisches Lebenswerk erhalten. Ich gratuliere nochmal auf diesem Wege recht herzlich!
Ich selbst habe mich in diesem schönen März vorrangig der Arbeit an meinem in Arbeit befindlichen Roman gewidmet: „Einfach nur Noni“ (neuer Arbeitstitel) wird im Herbst erscheinen, und nunmehr sind knapp neun von zehn Kapiteln in der Rohfassung fertig und noch ungefähr 25 Seiten zu schreiben. Bis Ende April werde ich abliefern können – dann müssen auch schon das Cover, der endgültige Titel und die Texte für die Verlagsvorschauen, in denen die kommenden Neuerscheinungen angekündigt werden, stehen.
Daneben gingen aber auch die Onlineworkshops „Mein Buch“ und das Individualcoaching weiter, außerdem der zu meiner großen Freude neu aufgelegte Schreibworkshop der Aidshilfe NRW, in dem ich ein Dutzend schreibfreudiger Menschen mit HIV dazu anleite, Texte für eine geplante Broschüre zum Thema „Gut leben mit HIV“ zu verfassen. Immerhin „feiern“ wir in diesem Jahr das 40-jährige Bestehen der Deutschen Aidshilfe, einst vom Verleger Bruno Gmünder und der Krankenschwester Sabine Lange gegründet. 1983 war auch das Jahr, in dem ich mit 18 Jahren nach Berlin zog und in die queere Szene eintauchte, und kurz darauf starben auch schon die ersten Bekannten und Freunde durch diese damals noch tödliche Krankheit, die mittlerweile zu einer gut behandelbaren, chronischen Krankheit gewandelt hat. Was aber leider nicht heißt, dass es nicht immer noch Menschen gibt, die an den Folgen von HIV und Aids sterben; vorrangig im außereuropäischen Ausland, wo die medikamentöse Versorgung und die Behandlungsmöglichkeiten auch nicht annähernd so gut sind wie bei uns.
Seit damals und bis heute arbeite ich immer wieder für die Deutsche Aidshilfe in diesem Kontext, bereits meine erste Veröffentlichung, die Kurzgeschichte „Der Schneider und die Schneiderin“, mit der ich 1992 für den Wiener Werkstattpreis nominiert wurde, handelte von einem schwulen Paar, das sich mit der Erkrankung und ihren gravierenden Folgen auseinandersetzen muss.
Über meine jahrzehntelange Arbeit mit und für HIV-positive Menschen habe ich unzählige wunderbare Menschen kennengelernt, die mich teilweise bis heute begleiten – darunter eben auch mein Freund Axel Schock, der mich damals mit genau ebenjener Kurzgeschichte zu meiner allerersten bezahlten Lesung eingeladen hatte, und zwar in Halle an der Saale …
Und was war noch? Jawohl, endlich hat jemand das Rätsel erraten: Melanie P. aus Trier ist es gelungen, herauszufinden, bei welchen beiden Büchern ich – nach dem mit Sofia Ghasab verfassten Werk „Selfmadewoman“ als Co-Autorin bzw. Ghostwriterin mit im Impressum stehe … Glückwunsch, die versprochene signierte Buchprämie ist dan nach Erscheinen direkt auf dem Wege zu ihr …
Lesungen standen aber auch noch an, zunächst am 2. März im schönen Glückstadt an der Elbe, wo ich in der dortigen Bücherstube am Fleth aus „In die Welt“ vorlas, eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Leonie Amendt. Am 16. März dann trug ich im Aschaffenburger Karl-Theodor-v.-Dalberg-Gymnasium aus „Blindfisch“ und anderen Jugendbüchern vor, genau wie am 21. März im Berliner Rosa-Luxemburg-Gymnasium und am 28. März in der Gustav-Heinemann-Schule im hessischen Borken. Alles in allem lauter sehr schöne Lesungen vor und mit angenehmen Schüler*innen – so kann es gern weitergehen!
Und was kommt?
Der Endspurt in Sachen „Einfach nur Noni“, die Weiterführung der Onlineworkshops und vorher eine zweitägige Studienfahrt mit Familie und Freunden ins polnische Auschwitz stehen an. Ich war ja schon einmal dort, aber für die anderen ist es eine Premiere – eine, die im Grunde jede*r einmal erleben sollte, meiner Meinung nach. Ich bin gespannt, wie ich den zweiten Besuch empfinden werde – nach dem ersten war ich innerlich noch wochenlang damit beschäftigt …
Und dann stehen auch noch Lesungen an: zunächst am 16. April in Berlin-Kreuzberg, wo ich um 19.30h in der Forum Factory zum Thema „Queere Stimmen in der Literatur: Erfüllt leben, wie lange, ist unerheblich“ lesen werde, eine Veranstaltungsreihe von AHOI artists & events in Zusammenarbeit mit Charlotte zu Kappenstein. Außer mir, die den Reigen beginnt, werden noch fünf weitere Autor*innen aufs Podium treten, jeweils mit einer Viertelstunde Lesezeit. Eine erste Veranstaltung dieses Formats findet bereits am 9. April, also eine Woche vorher, statt.
Am 27. April dann wiederum lese ich erneut in der Grundschule Menschenskinder in Schönwalde-Glien für die drei sechsten Klassen, eine liebgewonnene Tradition – und dort gibt es im übrigen ein famoses Büffet für die Vortragenden, köstlich!
In Planung ist übrigens ein Schreibworkshop in Wien, voraussichtlich am 24./25. Juni; näheres dazu unter aykler.praxis@aon.at.
Einen aufregenden April wünscht Karen-Susan Fessel
Online-Workshops: Der nächste Kreativ-Quickie startet am 2. Mai; Informationen und Anmeldung auch für die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Karolin Klemke: Totmannalarm. Begegnungen mit Straftäten. dtv, München 2023 / Klemke, als Psychotherapeutin lange Jahre in der Forensik tätig, beschreibt in diesem wirklich packend geschriebenen Buch ihre Arbeit mit Straftätern, zumeist aufgrund von schweren Verbrechen und Sexualdelikten in die forensische Psychiatrie eingewiesen, aber zugleich auch ihre eigene psychische Entwicklung im Laufe der Jahre. Selten habe ich ein so eindringliches Werk gelesen, in dem sich Selbstkritik und Beobachtungsgabe zu einer hervorragenden Begleitmusik für eine tiefgehende Analyse menschlicher Abgründe paaren. Klemkes scharfer Blick auf die zumeist sehr schwierigen Bedingungen, unter denen die porträtierten Mörder*innen und Vergewaltiger heranwuchsen, versperren weder ihr noch der Leserschaft die klare Sicht auf Brutalität und Wut. Und doch … wie viele Straftaten ließen sich wohl verhindern, wenn alle Kinder mit Liebe und Anerkennung aufwüchsen? // Eva Umlauf mit Stefanie Oswalt: Die Nummer auf deinem Arm ist so blau wie deine Augen. Erinnerungen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2016 // In Vorbereitung auf die neuerliche Auschwitz-Reise entdeckte ich diese Erinnerungen, die mich ganz besonders in den Bann schlugen, weil die Autorin noch heute in Deutschland lebt. 1944 im Alter von 2 Jahren mit der schwangeren Mutter nach Auschwitz verschleppt, überlebte Umlauf nur, weil genau in der Nacht zuvor die Vergasungen eingestellt worden waren. Nach der Rückkehr in die Slowakei ging sie dann 1967 der Liebe wegen nach München, um dort als Kinderärztin und Psychotherapeutin zu arbeiten. Heute engagiert sie sich als Zeitzeugin, als eine der letzten noch lebenden weltweit. Ihr Text hat mich besonders bewegt, weil Umlauf viel über ihr Leben im heutigen Deutschland erzählt und dabei erstaunlicherweise nie in Verbitterung verfällt. Ein kostbares Zeitzeugnis!
Unter der Lupe: Meine Werke
Nr. 6: Was ich Moira nicht sage. Erzählungen (1998)
Mein sechstes Buch – und schon der zweite Erzählband! Bis zum nächsten und vorerst letzten dauerte es dann weitere acht Jahre, aber der nächste ist schon angedacht … „Was ich Moira nicht sage“ versammelt 18 Erzählungen von zwischen 4 und 30 Seiten Länge auf insgesamt 237 Seiten, in den Jahren 1992 bis 1998 entstanden; die letzte davon tippte ich noch kurz vor Erscheinen in die Tasten, so dass mein Verleger Jim Baker sie erst am Drucktag zu lesen bekam – und herzhaft darüber lachte, denn es handelte sich um „Ein super Geschenk“ …
Zahllose Lesungen habe ich mit Texten aus diesem Buch gehalten, der Favorit: „Ein super Geschenk“, eine Geschichte, in der ich meinen langjährigen Kohlenhändler verewigt habe, der seinerzeit alle meine (bis dato fünf) Bücher für seine Tochter kaufte, was mich damals durchaus mit nervösem Schrecken erfüllte, aber gut ausging: Besonders „Heuchelmund“ hatte es ihr angetan!
Bei meiner allerersten Lesung aus dem Buch im Berliner Buchladen „Chronika“, der, von zwei schwulen Männern in der Kreuzberger Bergmannstraße betrieben, längst Geschichte ist, las ich auch ebenjenen oben erwähnten, 1993 erstmals veröffentlichten Text zu AIDS, „Der Schneider und die Schneiderin“.
Und hocherfreut war ich, als der Erzählband 2005 beim Piper Taschenbuch Verlag neu aufgelegt wurde, mit demselben Coverbild übrigens, eine Rarität im Verlagsgeschäft. Eine Rarität sind heutzutage Erzählbände selbst, die nur selten noch veröffentlicht werden, und wenn, dann meist nur von arrivierten, kaum je aber unbekannten Autor*innen. Glück gehabt also wiederum …
Karen-Susan Fessel: Was ich Moira nicht sage. Erzählungen. Querverlag, Berlin 1997 / Piper Verlag, München 2005. Nur noch antiquarisch erhältlich.