Karen-Susan Fessels Dreimonatsbotin Nr. 6/2025 // Neuigkeiten aus dem vierten Stock

Hier kommt die sechste Ausgabe der Dreimonatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie je Mitte März/Juni/September/Dezember im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Der Frühling hat dem Sommer Platz gemacht, und die erste Hitzewelle haben wir schon hinter uns. Bei der ich besonders gern an meine dreiwöchige Reise im Mai nach Holland, Belgien und Frankreich zurückgedacht habe, denn an den Küsten der Normandie, Bretagne und auch des Atlantiks herrschte immer ein kühles Lüftchen, wunderschön! Meine erste Reise im Campervan und ganz sicher nicht die letzte …

Vorab standen aber eine Reihe von Lesungen an, zunächst die aus dem Januar in den März verschobenen im Klotener Schulhaus Spitz, wo ich wieder mal das Vergnügen hatte, die gesamte 1. SEK (Siebtklässler im deutschen Schulsystem) mit Lesungen aus „Schattenblicke“ und anderen Werken zu bestücken. Immer wieder aufs neue eine schöne Reise, die Schweiz ist einfach ein angenehmes Lesungsland!

Am 8. April dann ging es in die Berliner Janusz-Korczak-Bibliothek in Pankow zu den 8. Schnelllernerklassen des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums, eine Woche später dann nach Mannheim, wo ich im Rahmen der Open Dykes im Dalbergsaal der Stadtbibliothek eine gut besuchte Lesung aus „Mutter zieht aus“ halten durfte, mit einer anschließenden munteren Fragerunde, die mir ob ihrer Intensität lange im Gedächtnis bleiben wird. Und nur drei Tage vor meiner Abreise in den Urlaub besuchte ich dann zum wiederholten Male meine Lieblingsgrundschule „Menschenskinder“ in Schönwalde-Glien nahe Berlin, um die drei sechsten Klassen mit Manne Hannemann aus „Und wenn schon!“ und weiteren meiner Buchheld*innen bekannt zu machen, wie immer ein großer Spaß für alle. Und wie immer das köstlichste Buffet aller Zeiten … selbst hergestellt von den Lehrkräften, die offenbar allesamt ausgesprochen gut kochen und backen können …

Zurück in Berlin, las ich dann am 3. Juni in der Berliner Stadtbücherei Falkenhagener Feld vor zwei dritten Klassen aus „Selina Stummfisch“ und weiteren Büchern – um mich schon am Tag danach mit einer ausgemachten Magen-Darm-Grippe ins Bett legen zu müssen, die mich glatte zweieinhalb Wochen auf Trab hielt. Und leider dazu zwang, die ersten vier von sechs geplanten „Denkspielplätzen“ im Berliner Literarischem Colloquium absagen zu müssen. Die Workshops, bei denen Berliner Grundschulklassen zusammen mit Philosoph*innen und Künstler*innen kreativ und geistig diverse Themen bearbeiten, sind eine Initiative des Vereins „Was denkst du? e.V.“, der mit großem Engagement daran arbeitet, auch jüngeren Schulkindern die Philosophie nahezubringen. Ein spannendes Projekt, das jedoch, wie so viele kulturelle Angebote, durch die rigiden Kürzungen des neuen Berliner Senats in diesem Bereich vor dem Aus steht.

Noch aber habe ich am kommenden Donnerstag und Freitag dieser Woche die Freude, die beiden letzten Workshops veranstalten zu können, desgleichen den dazugehörigen Erlebnistag im FEZ Wuhlheide, einer Berliner Institution, die ich vorher noch nie aufgesucht habe.

Und auch die lange geplante Lesung in der Flensburger Stadtbibliothek aus „Einfach nur Noni“ am 20. Juni konnte ich dann, einigermaßen genesen, halten, der ein zugegebenermaßen kleines, aber feines Publikum mit großem Interesse beiwohnte.

Und was kommt?

Die Arbeit am geplanten Bilderbuch für den Psychiatrie-Verlag ist in vollem Gange, gestaltet sich aber problematischer als gedacht. Ich habe den Eindruck, dass es zunehmend schwieriger wird, von Lebensrealitäten (kindgerecht) zu erzählen; zwar finde ich es sehr gut, dass mittlerweile sehr auf eine diskriminierungsfreie Sprache und Figurenzeichnung geachtet wird, aber hin und wieder führt dieses Bestreben dann meiner Ansicht nach zu einem übertriebenen Vermeidungsverhalten. Ob Pepe unter diesen Umständen noch „meine“ Figur sein und damit das Licht der Buchwelt erblicken darf, bleibt abzuwarten – die Diskussion darüber ist jedenfalls noch nicht beendet.

Im kommenden Quartal dann wartet dann – neben den weiterlaufenden Jahresworkshops „Leg los – schreib endlich dein Buch!“ noch vom 20. bis 27. Juli die Sommerakademie in der Akademie Waldschlösschen auf mich, bei der ich zusammen mit Ulli Klaum auch die Gesamtleitung übernommen habe und auf die ich mich überaus freue – meine beiden dreitägigen Schreibworkshops sind zwar ausgebucht, aber einige andere Parallelangebote warten noch mit wenigen freien Plätzen auf. Interessierte sollten die Gelegenheit nutzen, eine wunderbare, immer lustige Woche im schönen Reinhäuser Wald unter netten, zumeist queeren Menschen zu verbringen und kreativ tätig zu werden; Informationen und Anmeldung hier.

Und wie schon Anfang 2024 bin ich Ende August auch wieder im Knüllwald beim hessischen Positiventreffen mit einem Schreibworkshop dabei; beim letzten Mal habe ich beim Abschlussfest ausnehmend ausdauernd zu guter Musik getanzt, worauf ich auch diesmal schwer hoffe …

Einen nicht zu heißen Sommer wünscht Karen-Susan Fessel

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Online-Workshops: Die nächsten „Kreativ-Quickies“ starten am  3. August und 1. September. Informationen und Anmeldung auch für die weiteren Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

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Ausgelesen: Hans Rosenthal: Zwei Leben in Deutschland. Eine jüdische-deutsche Geschichte. Quadriga, Köln 2025 / Erstmals 1980 erschienen, hat sein Verlag die Memoiren des bekannten Berliner Entertainers und Regisseurs anlässlich seines 100. Geburtstages neu herausgegeben. Rosenthal erzählt schnörkellos und recht nüchtern von seiner Kindheit und Jugend im Nazideutschland, dem Tod seiner Eltern und der Verschleppung seines geliebten kleinen Bruders. Nach dem Untertauchen in einer Gartenlaube beginnt sein zweites Leben als Rundfunk- und Fernsehregisseur und Entertainer, erst in Ost-, dann in Westberlin. Sein berufliches Weiterkommen ist ihm viele Details wert, durchaus zu Recht – aber ich habe das vermisst, weswegen ich das Buch im Grunde in die Hand genommen habe: eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie es sich als Jude unter den Menschen weiterleben ließ, die einem noch kurz zuvor gemeinschaftlich nach dem Leben getrachtet haben. Aber darüber verliert Rosenthal leider kein Wort – so bleiben für mich die wichtigsten Fragen offen, schade … // Silke-Maier-Witt mit André Groenewoud: Ich dachte, bis dahin bin ich tot. KiWi, Köln 2025 / Seltsamerweise ist es mir bei den Lebenserinnerungen der ehemaligen RAF-Terroristin ähnlich ergangen. Zwar berichtet Maier-Witt immer wieder in der Rückschau vom Unverständnis über das eigene Handeln, aber dennoch bleibt auch ihr Bericht über das Untertauchen und Leben als Terroristin, zunächst in den Niederlanden, dann in der DDR, nüchtern und mit wenig emotionalem Tiefgang behaftet. Zwei Menschen also, zwei Untergetauchte unter vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen und doch eine gewisse Ähnlichkeit in der Erzählweise – ob vielleicht das Leben im Versteck diese Distanz zu sich selbst hervorbringt, die darin hervorschimmert? Diese Frage wird mich wohl noch länger beschäftigen.    

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Unter der Lupe: Meine Werke

Nr. 12: Bis ich sie finde (2002)

Während mein drittes Kinder- und Jugendbuch „Und wenn schon“ mir mit der Nominierung zum Jugendliteraturpreis ab Frühjahr 2002 den Weg in die Welt der Schul- und Bibliothekslesungen im deutschsprachigen Raum und in Schulen und Universitäten in vielen weiteren Ländern ebnet, nimmt mein Erwachsenen-Roman „Bis ich sie finde“ ebenfalls mit vielen Lesungen Schwung auf.

Für die Geschichte von Uma, die auf einer Australienreise die charismatische Jane kennenlernt, mit der sie eine heiße, kurze Affäre eingeht und die sie fortan nicht mehr vergessen kann, habe ich mir vorab mehrere Jahre lang immer wieder Notizen gemacht, genauer gesagt seit einer sechswöchigen Australienreise im Jahr 1996. Dank zweier dorthin ausgewanderten Freundinnen hatte ich seinerzeit Gelegenheit, tiefe Einblicke in die Kultur der Aborigines, der Ureinwohnenden, zu gewinnen, die ich im Buch bestens verwerten konnte. Außerdem ging mir ein fast magischer Moment nicht mehr aus dem Kopf, der für eine der wichtigsten Szenen des Buches Pate stand: Eines Tages hatte mich eine als Sozialarbeiterin im damaligen Reservat beschäftige Bekannte mit dorthin genommen, um die dortige Kunstwerkstatt zu besichtigen. Ich war schwer beeindruckt von den alterslosen Gesichtern der Aborigines-Frauen, die an einem großen Tisch sitzend schweigend kleine Farbkleckse auf Leinwände tupften. Ab und zu musterte mich eine von ihnen ausdruckslos, und ich fühlte mich nicht nur in eine andere, weit zurückliegende Zeit, sondern auch in eine komplett andere Welt versetzt. Irgendwann ging ich hinaus auf die Veranda, um über die weite Wüstenlandschaft zu blicken. Weit hinten entdeckte ich einen kleinen schwarzen Punkt, der eine Staubwolke hinter sich herzog: ein Motorrad, das sich rasch näherte. Ich sah zu, wie es herankam und schließlich vor der Veranda hielt. Der Fahrer stieg ab, nahm den Helm herunter und schüttelte seine langen, blonden Haare – aber es war gar kein Mann, sondern eine Frau, eine große, schlanke Frau, die zu mir heraufsah und die ich vom ersten Moment an unglaublich interessant fand. Dass sich bald herausstellte, dass Jane in einem früheren Leben durchaus mal ein Mann gewesen war, machte sie für mich noch interessanter. 

Damals reifte in mir die Idee, genau über so einen Moment zu schreiben, darüber, dass jemand am Ende der Welt mitten in der Wüste steht und eine andere Person auf sich zukommen sieht: Liebe auf den ersten Blick, zunächst unerfüllt, bis sie sich am Ende nach langer Suche und vielen Hindernissen erfüllt.

Kurz danach flog ich nach Schwedisch-Lappland und war derart gebannt von den Gegensätzlichkeiten dieser beiden Regionen – der Hitze der australischen Wüste und der eisigen Kälte Lapplands-, dass ich genau diese Orte in den Roman aufnahm und zum Dreh- und Angelpunkt machte.

So spielt „Bis ich sie finde“ in Australien, Berlin und Lappland; Janes reales Vorbild habe ich längst aus den Augen verloren, sie wird das Buch nie gelesen haben, da es bislang nicht auf englisch erschienen ist. Aber einige deutschstämmige Australierinnen haben es gelesen und mir zu meiner Freude erklärt, dass ich die in Down Under spielenden Szenen sehr realistisch beschrieben habe. Irgendwann werde ich nochmal hinreisen und meine Eindrücke mit denen von damals vergleichen. Bis dahin und sicher auch darüber hinaus bleibt „Bis ich sie finde“ eines meiner mir liebsten und wichtigsten Werke.

Bis ich sie finde. Roman. Erstausgabe Querverlag, Berlin 2002. Auch als E-Book erhältlich. 

 

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