Karen-Susan Fessels Dreimonatsbotin Nr. 4/2024 // Neuigkeiten aus dem vierten Stock

Hier kommt die vierte Ausgabe der Dreimonatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie je um den 15. des März/Juni/September/Dezember im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Herbst und Winter – meine Lieblingsmonate. Die hatten bzw. haben es diesmal in sich, denn der Oktober bescherte mir zum zweiten Mal in diesem Jahr eine heftige Corona-Attacke, genau sieben Monate nach der ersten. Und wieder, wie schon im März, erkrankte ich exakt zwei Tage nach meiner Lesung in der Janusz-Korczak-Bibliothek in Berlin-Pankow, wohin die 8. Schnelllerner-Klasse des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums mit einer Lesung aus „Blindfisch“ und „Einfach nur Noni“ geladen war. 

Infolgedessen musste ich die lang geplante Lesereise nach Schwaben absagen,  konnte sie dann jedoch glücklicherweise einen Monat später nachholen. Vorher aber startete dann der elfte Online-Workshop „Gut leben mit HIV“, den ich für die Aids-Hilfe NRW leite. Zehn Betroffene haben sechs Wochen lang immer dienstags per Zoom die Gelegenheit, unter meiner Anleitung spannende, bewegende und oft auch erheiternde Texte zu verfassen und zu präsentieren, die sich mit der eigenen HIV-Infektion und deren Folgen befassen. Das macht uns allen ungeheuer viel Freude, und so hoffe ich, dass der Workshop im kommenden Jahr eine Fortsetzung finden kann, in Zeiten radikaler Kürzungen im Kultur- und Gesundheitsbereich natürlich eine zarte Pflanze, diese Hoffnung …

Vor der Reise in den Süden aber lag dann erstmal eine in den Norden; anlässlich der Schleswig-Holsteiner Kinder- und Jugendbuchwochen hatte ich das Vergnügen, Kinder der Klassenstufen 3 bis 6 in Schulen und Bibliotheken in Kiel, Gettorf, Eutin, Flintbek und Husum zu „belesen“. Immer eine feine Sache, und ich reise ja auch liebend gern durch mein schönes Geburts-Bundesland!

Und pünktlich zu meiner Reise nach Baden-Württemberg erschien dann auch passenderweise ein von mir lektoriertes Werk, das muntere Kinderbuch „Mia und Milli Bd. 1 – Kommt Mia an?der Hohenloher Autorin Angelika Kreidler, in dem durch die Augen der 8-jährigen Mia allerhand Wissenswertes über die Region Oberschwaben vermittelt wird. Kreidlers Erstlingswerk wird nicht das einzige bleiben, Band 2 ist schon in Arbeit.

Lektorate und Workshops, vermehrt auch Online-Workshops, sind zwei Bausteine meiner schriftstellerischen Arbeit, denen ich mich in den vergangenen Jahren vermehrt widme, weil sie mir sehr viel Freude machen. Die intensive Arbeit an fremden Texten und der direkte Kontakt mit den Teilnehmenden der Online-Workshops sind Komponenten, die meine Arbeit immer wieder neu gestalten und abwechslungsreich machen, ein prima Kontrapunkt zu der stillen, einsamen und kreativen Arbeit am Schreibtisch, auf den ich nicht mehr verzichten möchte.

Umso mehr freue ich mich auf die kommenden Workshops im neuen Jahr,    in dem ich den jetzt gerade zu Ende gehenden wunderbaren Jahresworkshop „Leg los – schreib dein Buch!“ wieder neu anbieten werde, dazu den Jahresworkshop „Biografisches Schreiben für Frauen“, aber auch die bewährten Online-Workshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ sowie den „Kreativ-Quickie“ und das individuelle Schreibcoaching. Wer also noch ein passendes Weihnachtsgeschenk für sich selbst oder andere sucht, wird hier garantiert fündig!

Aber nun ging es dann endlich doch noch auf die Schwäbische Alb nach Geislingen an der Steige, wo der umtriebige Stadtbibliothekar B. Decker dann tatsächlich die acht ausgefallenen Lesungen noch unter Dach und Fach brachte. Zahlreiche Klassen der Stufen 3 bis 6 des örtlichen Michelstein- und Helfensteingymnasiums und der Linden- wie auch der Uhland-Grundschule kamen so in den Genuss meiner Lesungen, die ich, zum vierten Mal in Geislingen zu Besuch, auch diesmal wieder in sehr guter Erinnerung behalten werde. Dasselbe gilt auch für die danach angeschlossenen Lesungen in Untergruppenbach, Lehrensteinsfeld und Unterheinriet für die 2. bis 4. Klassen, natürlich auch wieder durch eine engagierte Bibliothekarin, Frau Friedle, organisiert.

Das war es dann für dieses Jahr mit dem Veranstaltungsreigen, jetzt gönne ich mir, mit Ausnahme der weiterlaufenden Workshops, eine Pause und werde erst mal – ich kann es immer noch nicht so recht glauben – 60. Und zwar am 15. Dezember. Nicht schlecht, oder? Das will und muss gefeiert werden, gerade angesichts der frustrierenden Weltlage. In diesem Sinne:

einen friedlichen Winter wünscht Karen-Susan Fessel

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Online-Workshops: Die nächsten „Kreativ-Quickies“ starten am  3. Februar und 3. März, die Jahresworkshops „Leg los“ am 28. Januar, „Biografisches Schreiben für Frauen“ am 4. Februar,  Informationen und Anmeldung auch für die weiteren Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

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Ausgelesen: Daniela Krien: Mein drittes Leben. Roman. Diogenes, Zürich 2024 // Linda hat sich zurückgezogen: aufs Land, in die Einöde, wo es still und einsam ist und nur ein Hund ihre Nähe sucht – und dann eine Frau mit ihrer schwerstbeeinträchtigten Tochter. Den einzigen, der weiterhin nach ihr sucht, weist sie zurück, zunächst – denn er erinnert sie an das Ereignis, vor dessen Folgen sie aufs Land geflohen ist: den Unfalltod ihrer Teenager-Tochter. Wie Linda nach und nach ins Leben zurückkehrt und wie wenig sich Trauer am Ende verarbeiten lässt, dass erzählt die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende, hervorragende Erzählerin Krien in ihrem neuen, sehr leise daherkommenden und doch äußerst mitreißenden Roman. // Ron Leshem: Feuer. Israel und der 7. Oktober. Roman, Rowohlt, Berlin 2024 / Mittlerweile ist eine ganze Reihe von Büchern zum 7. Oktober, dem Massaker der Hamas an zahllosen Israelis und der anschließenden Geiselnahme von über 240 Menschen erschienen, und ich habe fast alle gelesen – aber dieses hier möchte ich besonders empfehlen. Leshem, in New York lebender Journalist, beschreibt den Tag und seine weitreichenden Folgen extrem persönlich und fulminant sachlich zugleich, ein höchst gelungener Balanceakt, der mich aufgewühlt, ratlos und dennoch hoffnungsvoll zurücklässt. Danke! // Dorit Linke: Mats und Rea drehen am Rad der Geschichte. Bd. 1: Die Telefonzelle. matsundreabooks.de, Berlin 2024 / Die Berliner Autorin Dorit Linke ist in Rostock aufgewachsen und damit natürlich in der DDR – und genau das macht sie mit großem Erfolg zum Thema ihrer vielfach prämierten Kinder- und Jugendbücher. Nach der aktuellen Verfilmung ihres Jugendromans „Jenseits der blauen Grenze“ widmet Linke sich nun einer ganzen DDR-Kinderbuchreihe, und gleich in Band 1 wird es spannend: Mats und Rea werden aus dem Jahr 2024 in eine Telefonzelle im Jahr 1985 zurückkatapultiert – und müssen sich nun erstmal in diesem seltsamen, untergegangenen Land zurechtfinden. Doch dann gerät alles in Aufruhr: In Thüringen schrillt der Alarm, und dann ist da noch Peggy, die so seltsam verloren wirkt … Linkes ungekünstelte, sich nie anbiedernde Sprache begleitet die kurzweiligen Abenteuer ihrer kindlichen Helden auf so amüsante Art, dass dabei gar nicht auffällt, wieviel Wissen sie zugleich über die DDR vermittelt. Ein lange überfälliges Werk, das gekonnt den Bogen in die Vergangenheit schlägt, die Wendezeit in den Blick nimmt und dabei nie in die Falle der Ostalgie tappt. Sehr gelungen!

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Unter der Lupe: Meine Werke

Nr. 10: Steingesicht (2001)

1996 erhielt ich das erste Stipendium in einer langen Reihe von folgenden, nämlich jenes im Künstlerdorf Schöppingen, wo ich dann sieben äußerst prägende Monate verbrachte, „Bilder von ihr“ zu Ende schrieb und „Out“ begann. Im Jahr danach folge das Alfred-Döblin-Stipendium im Günter-Grass-Haus im schleswig-holsteinischen Wewelsfleth, das ich nutzte, um „Out“ fertigzustellen und den Erzählband „Was ich Moira nicht sage“ zu verfassen. Besonders gut aber ist mir ein Tag dort in Erinnerung, an dem ich wie in einem Guss das Exposé für mein geplantes Jugendbuch herunterschrieb, es einmal durchlas und dann sofort abschickte. Und zwar an die Stiftung Preußische Seehandlung, die ein gut dotiertes Kinder- und Jugendliteraturstipendium ausgeschrieben hatte. Das mir dann auch zugesprochen wurde, allerdings nutzte ich es im kommenden Jahr, um „Ein Stern namens Mama“ zu schreiben. „Steingesicht“ musste noch ein wenig warten, so recht traute ich mich damals noch nicht an die Geschichte der 15-jährigen Leontine heran, die nach dem Tod ihrer drogengebrauchenden Mutter aus Berlin zu ihrer lesbischen Tante aufs Land ziehen muss, dort überall aneckt und am Ende noch feststellt, dass sie selbst sich nicht für Jungs, sondern Mädchen interessiert.

Wer mir entschieden zusprach, war meine damalige wunderbare Oetinger-Lektorin Angelika Kutsch, die alle meine Einwände, das Thema sei vielleicht doch zu heikel für einen großen Publikumsverlag, mit Verve beiseiteschob. „Natürlich kannst du das schreiben! Du musst es sogar schreiben!“, rief sie bei einem unserer Gespräche fast wütend aus, und so entspannte ich mich schließlich und schrieb dann genau das Buch, das ich als Jugendliche gern gelesen hätte, einen Coming-Out-Roman, der die jugendliche, rebellisch-trotzige Hauptfigur immer mit Liebe und Respekt in den Blick nimmt. Noch heute hat dieser Roman einen ganz besonderen Stellenwert für mich, vor allem dann, wenn ich auf meinen Lesereisen oder sonstigen Unternehmungen junge „Leontines“ entdecke, die mit der gleichen verletzlich-zornigen Haltung in die Welt zu sehen scheinen. Diese „schwierigen“ jungen Menschen sind mir ein besonderes Herzensanliegen, und ich habe großes Verständnis für ihr kratzbürstiges Auftreten, mit dem sie sich oft keine Freunde machen.

Steingesicht erhielt mehrere Auszeichnungen,

2005 dann den Taiwan Book Award, was unter anderen dazu führte, dass der Roman seither zum Kanon der Schulliteratur in Taiwan gehört und auch hierzulande oft in den 8. und 9. Klassen gelesen wird.

Und ich habe gelernt, dass ich die besten Exposés immer in einem Rutsch schreibe – bis heute!

Steingesicht. Roman. Erstausgabe Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2002, Taschenbuchausgabe Querverlag Berlin, 2012.

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