Karen-Susan Fessels Dreimonatsbotin Nr. 1/2024 // Neuigkeiten aus dem vierten Stock

Hier kommt die erste Ausgabe der Dreimonatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!

Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie je am 15. des März/Juni/September/Dezember im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!

Seit Ende Januar bin ich wieder ins aktive Autorinnenleben eingestiegen, gar nicht so einfach nach knapp zehn Monaten  krankheitsbedingter Pause. Aber die Aids-Hilfe NRW als Veranstalter und die ungemein netten Teilnehmer*innen des Schreibworkshops für HIV-Positive in der Akademie Biggesee in Attendorn machten es mir wirklich leicht. So leicht, dass ich unmittelbar danach wieder mit Schwung die neunte Runde  des ebenfalls von der Aidshilfe NRW e.V. veranstalteten wöchentlichen Onlineworkshops eröffnen konnte. Im Laufe der folgenden sechs Wochen entstanden zahlreiche bewegende, spannende, heitere und nachdenklich machende Texte über das Leben mit HIV, von denen es sicher viele in die geplante Buchveröffentlichung zu „40 Jahre HIV und AIDS in Deutschland“ schaffen werden. 

Und dann startete am 25. Februar auch mein Jahresworkshop „Leg los – schreib endlich dein Buch“ mit sieben hochmotivierten Teilnehmer*innen, die ein eigenes Buch-oder Erzählprojekt in Planung oder Arbeit haben. In zehn Zoom-Gruppensitzungen und je zwei Einzelsitzungen werden die Teilnehmer*nnen am Ende des Jahres vielleicht ein fertiges Manuskript in den Händen halten, zumindest aber ihrem Ziel ein gutes Stück nähergekommen sein.

Ins eigene Schreiben bin ich noch nicht wieder gekommen, aber natürlich habe ich einiges in Planung bzw. Arbeit: Zur Zeit arbeite ich an den Exposés für zwei Bilderbücher, die im Psychiatrie-Verlag/Balance Medien erscheinen sollen. Ein Kinder- und ein Jugendbuch sind auch angedacht, und für ein weiteres Buch für Erwachsene mache ich Notizen. Mal sehen, was dann als Erstes geschrieben wird …

Die ersten Schullesungen liegen auch schon wieder hinter mir: vom 5. bis 7. Januar war ich wieder einmal zu Gast in einer meiner Schweizer Lieblingsschulen, dem Schulhaus Spitz in Kloten. Die gesamte 1. Sekundarstufe (die 7. Klassen, umgerechnet auf deutsche Verhältnisse ) hatte sich mit teils extrem fantasiereich gestalteten Plakaten auf die vier Lesungen aus „Und wenn schon!“, „Schattenblicke“ und anderen Büchern vorbereitet; rundum gelungene Veranstaltungen, die mir dann auch den durch den neuerlichen Streik erzwungenen Umstieg von der Bahn aufs Flugzeug versüßten.

Und den Jahresbeginn versüßten mir auch die soeben erschienenen Neuauflagen von „Selina Stummfisch“ und „Nebeltage, Glitzertage“ im Psychiatrie-Verlag, dazu auch die neue , exklusiv für Aldi (!) herausgegebene Sammelbandausgabe meines „???-Kids“-Bandes „Achtung, Katzendiebe“, den ich vor nunmehr zehn Jahren zusammen mit Regina Nössler für den Kosmos-Verlag verfasst habe.

Nun aber stehen neben den weiterlaufenden Online-Workshops gleich 18 Lesungen bis Mitte Juni an, und zwar in Berlin, Schönwalde/Glien, Hildesheim und Neuendettelsau.

Einen in jeder Hinsicht milden Frühling bis dahin wünscht Karen-Susan Fessel

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Lesungen: 19. März, Berlin, Rosa-Luxemburg-Gymnasium/Janusz-Korczak-Bibliothek: „Einfach nur Noni“ / 4. April, Berlin, Seniorenresidenz Katharinenhof: „Mutter zieht aus“ / 25. April, Schönwalde-Glien, Grundschule Menschenskinder: u.a. „Und wenn schon“ / 7. Mai, Berlin, Stadtteilbücherei Falkenhagener Feld: „Frieda Fricke“ / 8. Mai, Berlin, Bibliothek Schöneberg: „Einfach nur Noni“ / 9. Mai, Berlin, Usher-Gesellschaft: „Blindfisch“ / 16./17. Mai, Hildesheim, Kinder- und Jugendbuchwochen: u.a. „Einfach nur Noni“ / 13. Juni, Neuendettelsau, Laurentius-Gymnasium: u.a. „Achtung, Mädchen gesucht!“ 

Online-Workshops: Die nächste Kreativ-Quickies starten am 2. April und 2. Mai; Informationen und Anmeldung auch für die Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare

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Ausgelesen: Verena Stefan: Ein Riss im Stoff des Lebens. Memoir. Nagel und Kimche Verlag, Zürich 20216 // Im Zuge meiner Lymphknotenkrebserkrankung habe ich alle biografischen Berichte zum Thema gelesen, die mir untergekommen sind – dieses hier hat mich mit am meisten beeindruckt und mir Mut gemacht. Dass die Schweizer Autorin im Jahre 2017 an metastasierendem Brustkrebs verstorben ist, vierzehn Jahre nach der Erstdiagnose, hat meine Lesefreude keineswegs geschmälert. Verena Stefan, mit ihrem feministischen Standardwerk „Häutungen“ 1975 bekannt geworden, berichtet in ihrem sehr klugen und bewegenden Erfahrungsbericht mit großer Offenheit von ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit von Gesundheit, Kraft und Körpergefühl. Dass sie ihre Leserschaft daran hat teilhaben lassen, war sicherlich ein enormer Kraftakt, für den ich persönlich ihr dankbar bin. // Ruth Schweikert: Tage wie Hunde. Fischer Taschenbuch, 2023 // Und dies ist das zweite Buch auf meiner Liste beeindruckender Krebs-Biografien: ebenfalls 2023 erschienen, ebenfalls von einer Schweizer Autorin, die ebenfalls an Brustkrebs verstorben ist; unmittelbar leider, bevor ich die Lektüre ihres letzten, gerade erschienenen Romans begonnen habe. Äußerst eindringlich erzählt Schweikert von der schockierenden Diagnose und den darauffolgenden schlaflosen Nächten, der Angst und den Schmerzen, dem verzweifelten Hoffen und Bangen und dem Prozess, sich der eigenen Sterblichkeit rasch annähern zu müssen, weil nicht mehr viel Zeit bleibt, vor allem keine Zeit für Verdrängung. Ein absolut fesselndes Buch, das ich mit Sicherheit schon gern früher gelesen hätte – und allen ans Herz legen möchte.  // Monika Maron: Das Haus. Hoffmann und Campe, Hamburg 2023 //  Eva, alternde Autorin, ergreift eher widerwillig die Chance, in ein großes Haus mit vielen Zimmern zu ziehen, das ihre alte Freundin Katharina geerbt hat und nun zu einem Alterssitz für naturliebende Seelenverwandte machen will. Die bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Freigeistern, Künstlerinnen und Pragmatikern aber stößt im Umgang miteinander und dem gemeinsamen Altwerden auf vielerlei Fallgruben, die es mehr oder minder geschickt zu überwinden gilt. Konstrukte und Konzepte werden auf den Prüfstein gestellt, und schließlich steht die Bewohnerschaft erneut vor der existentiellen Frage: Wie, wo und mit wem wollen wir im Alter leben? Maron, mittlerweile 82 Jahre alt, die selbst im hohen Alter noch in ein Haus in der Uckermark gezogen ist, dort aber die Gesellschaft von Hunden der von Menschen vorzieht, hat sich in ihrem sanft dahingleitenden Alterswerk einem höchst spannenden Thema gewidmet, das sicherlich eher für eine Leserschaft jenseits der 50 interessant sein dürfte. Grundlegenden Lebensfragen werden auch hier nicht gelöst, aber kunstvoll literarisch angerissen.

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Unter der Lupe: Meine Werke

Nr. 7: Ein Stern namens Mama (1999)

1998 war ein hartes Jahr für mich – und zugleich das Jahr, in dem ich mein bislang meistverkauftes und erfolgreichstes Buch schrieb:  das Kinderbuch „Ein Stern namens Mama“. Anfang April entdeckte ich in einer Literaturzeitschrift die Ausschreibung zum Astrid-Lindgren-Preis, zu dem ein noch nicht veröffentlichtes Kinderbuch einzuschicken war. Ich nahm es als Fingerzeig, mich endlich des Themas anzunehmen, mit dem ich mich schon seit geraumer Zeit beschäftigte.

Ich kann mich noch genau an die Tage Anfang April erinnern, an denen ich die ersten Seiten schrieb, ohne groß vorher darüber nachgedacht zu haben: erst halb genesen von einer Stirnhöhlenvereiterung, setzte ich mich an meinen Schreibtisch, um wie aus einem Guss die ersten drei Seiten zu tippen. Und dann fiel mir auf, dass ich gleich mehrere Zigaretten hintereinander geraucht hatte, während ich dabei war, die Geschichte der zehnjährigen Louise zu erzählen, deren Mutter an Brustkrebs gestorben ist.

Das fand ich derart unpassend, dass ich die letzte Zigarette ausdrückte und – nach fast zwanzig Jahren als Raucherin – beschloss, dass es jetzt endlich genug damit sei.

Tatsächlich habe ich nie wieder eine Zigarette angerührt. Und während ich in der folgenden Woche immer weiter an „Ein Stern namens Mama“ schrieb – der Titel war mir am ersten Tag eingefallen, und ich bin heute noch froh, dass der Verlag ihn akzeptierte -, kämpfte ich erfolgreich mit dem Drang nach Nikotin. Schließlich rief ich bei meinen Eltern an, um meinem Vater, der selbst jahrzehntelang geraucht und schließlich damit aufgehört hatte, zu berichten, dass ich es endlich geschafft hatte, mit dem Rauchen aufzuhören. Aber das wiederum gelang mir nicht; mein Vater, sagte meine Mutter, fühle sich nicht gut und könne nicht ans Telefon kommen.

Einen weiteren Versuch, ihn zu sprechen, gab es dann nicht mehr; ein paar Tage später lag er bereits im Sterben; ich unterbrach mein Schreiben und reiste in meine Heimatstadt, rechtzeitig genug, um mich in Ruhe von ihm verabschieden zu können.

Danach brach mir der Boden unter den Füßen weg, fast ein halbes Jahr war ich unfähig, abgesehen von meinen Tagebuchnotizen auch nur einen Satz zu schreiben. Erst im Herbst setzte ich mich wieder an das Manuskript, stellte es in einem Rutsch fertig und schickte es ein, gerade noch rechtzeitig vor Einsendeschluss.

Wochen später rief mich Angelika Kutsch, Lektorin des Oetinger-Verlages, an, erklärte mir, dass ich leider nicht den ersten Preis gewonnen habe, aber den zweiten, und fragte mich,  ob ich einverstanden sei, wenn „Ein Stern namens Mama“ im kommenden Programm erschiene. Es sei offenbar ja schon lektoriert, dennoch würde sie es gern noch einmal endlektorieren. Ob das in Ordnung für mich sei?

Und wie in Ordnung das für mich war! Ich hatte das große Los gezogen, so empfand ich es damals – und auch heute noch empfinde ich so. Angelika Kutsch erwies sich als fantastische Lektorin, die leider nach zwei weiteren Büchern den Verlag verließ, mit der ich aber bis heute in Kontakt stehe. Der Verlag Friedrich Oetinger war für mich das Allergrößte, der Astrid-Lindgren-Verlag das Nonplusultra in Sachen Kinderbuch. Unzählige Bücher aus diesem Verlag hatte ich als Kind gelesen und besessen, ein Oetinger-Buch besaß absolute Qualitäts-Garantie, musste einfach gut sein. Und nun würde mein erstes Kinderbuch genau in diesem Verlag erscheinen!

Ich konnte es kaum fassen und spürte zugleich, dass dieser Moment ein entscheidender für meine weitere Karriere als Schriftstellerin sein würde. Von nun an würde ich zweigleisig fahren, Bücher für Erwachsene und Kinder und dann auch Jugendliche schreiben, immer im Wechsel. Ich konnte meine Themen nun auf vielfältige Weise bearbeiten und ausloten – was für ein großes, anspruchsvolles und abwechslungsreiches Vergnügen!

In den folgenden Jahren veröffentlichte ich dreizehn weitere Bücher im Verlag Friedrich Oetinger, aber „Ein Stern namens Mama“ ist bis heute mein wichtigstes Kinderbuch, übersetzt in zahlreiche Sprachen, ein Bestseller in Japan, Schullektüre in China und Taiwan, als Hör- und Theaterstück adaptiert und vielfach aufgeführt. Mehrfach wurden die Filmrechte optioniert, auch als Hollywood ging eine – allerdings dann versandete – Anfrage ein. Fünf verschiedene Ausgaben sind bislang erschienen, die neueste im Psychiatrie-Verlag, der auch das von Heribert Schulmeyer wunderbar illustrierte gleichnamige Bilderbuch veröffentlicht hat.

Ein Stern namens Mama (ab 9)
broschierte Neuausgabe, Psychiatrie Verlag 2021
gebundene Erstausgabe, Oetinger 1999
broschierte Ausgabe, Oetinger 2010
Taschenbuch-Neuausgabe, Oetinger Taschenbuch 2016

So ist „Ein Stern namens Mama“ mein erfolgreichstes Buch und zugleich für immer mit dem Sterben meines eigenen Vaters verknüpft. Dass die Krankheit Krebs, an der Louises fröhliche, liebevolle und eigenwillige Mutter verstirbt, mich im letzten Jahr selbst ereilt hat, könnte man als Ironie der Geschichte bezeichnen. Für mich aber ist all das ein Teil des Lebens; niemand von uns ist davor gefeit, jede*n könnte es treffen, und deshalb ist Krebs auch für uns alle ein potentielles Thema. Und auch das Sterben der eigenen Eltern: unausweichlich, es sei denn, wir sind selbst früher dran.

Bilderbuch, mit Illustrationen von Heribert Schulmeyer. Psychiatrie-Verlag 2018

Was man ansieht, verliert seinen Schrecken. Was man kennt, fürchtet man weniger. Nur das Fremde macht uns Angst. Dagegen hilft unter anderem:  lesen. 

Ein Stern namens Mama. Kinderbuch. Erstausgabe Verlag Friedrich Oetinger 1999; Neuausgabe Psychiatrie Verlag 2021.

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