Hier kommt die vierundneunzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Der November begann für mich – wie so oft in den Vorjahren – mit einer Lesereise, diesmal ins idyllisch im Harz gelegene Bad Harzburg, wo ich auf Einladung der „Bad Harzburger Aktion“ vom 2. bis zum 5. täglich zwei Lesungen aus meinen Kinder- und Jugendbüchern hielt. Den Anfang machte die Pestalozzischule in Goslar, gefolgt vom Wilhelm-von-Siemens-Gymnasium und der Schule an der Deilich in Bad Harzburg. Am Freitag, dem 5. dann beendete ich die Leserreise im Rahmen der Bad Harzburger Kinder- und Jugendbuchwochen in der Oberschule Liebenburg – aber ganz vorbei war sie dann doch noch nicht, denn zu meiner Freude wurde ich kurzfristig an die Klinik Dr. Fontheim – mentale Gesundheit eingeladen, um als Referentin ein Seminar für die Pflegeschüler*innen im Bereich Psychiatrische Pflege zu halten. Der höchst engagierte Pflegedirektor der Klinik, mein ehemaliger Meppener Mitschüler Georg Schnieders, hatte mich kurzerhand engagiert, um eine coronabedingte Lücke im Lehrplan füllen zu können. Das machte mir sehr viel Freude, denn die knapp 20 Zuhörenden lauschten sehr interessiert meiner Lesung aus meinen für diesen Fachbereich relevanten Kinder- und Jugendbüchern und meinem neuesten Buch „Paare mit Paketen“, dem im Psychiatrie-Verlag erschienenen Reportageband mit elf Paaren, die mit psychischen Erkrankungen leben (müssen). Eine weitere Abendveranstaltung für das kommende Frühjahr ist angedacht, auf die ich mich schon jetzt sehr freue.
Zurück in Berlin, widmete ich mich meinen weiteren Aufgaben, wozu zunächst die Konzeptionsarbeit am Podcast „Butchfunk – Lässig. Lustig. Lesbisch.“ gehörte, dessen zweite Folge am 1. November online gestellt worden ist. Diesmal zu Gast: die Berliner Friseurmeisterin Marianne Graff, mit der meine Mitstreiterinnen Manuela Kay, Ina Rosenthal und ich eifrig über so spannende Themen wie Wasserwellen und Szenefrisuren diskutieren. Episode 3, in der wir die Kuratorin und Vorstandsvorsitzende des Schwulen Museums, Birgit Bosold, danach befragen, ob und wie der „Lesbenradar“ eigentlich funktioniert, wird am Montag, dem 6. Dezember online gestellt. Zu hören auf vielen Plattformen , unter anderem auch hier auf Pink.Life. Und: Wem es gefällt, nicht vergessen, zu liken und zu abonnieren!
Aber auch die Arbeit am Roman für den Querverlag lief weiter, zudem die Online-Workshops, vor allem der achtwöchige für die Aids-Hilfe NRW, der sehr gut angenommen wird. Jeden Dienstagabend war ich also von 18-21h damit beschäftigt, mit bis zu zehn Schreibfreudigen in bester Atmosphäre an neuen Texten zu feilen. Mal sehen, ob der Workshop angesichts der hochschnellenden Coronazahlen vielleicht doch noch einmal verlängert wird …
Genau die waren dann auch der Grund dafür, dass meine geplante Lesereise nach Luzern dann doch online stattfinden musste, was mir allerdings viel Spaß bereitete. Die Schüler*innen der 5. bis 11. Klassen aus Luzern, Nottwil und Sursee zeigten sich höchst interessiert und ließen sich auch nicht davon abhalten, viele Fragen zu stellen. Insgesamt also neun rundum gelungene Veranstaltungen in einem Format, an das wir uns alle noch weiter gewöhnen werden müssen.
Gerade noch rechtzeitig aber konnte ich am 19. November noch nach Osnabrück reisen, um in der dortigen Bertha-von-Suttner-Oberschule drei Lesungen aus meinen Kinder- und Jugendbüchern zu halten. So kam ich in den Genuss, die gesamte Schüler*innenschaft vor mir zu haben – inklusive des freundlichen Kollegiums, allen voran die umtriebige Lehrerin Tanja Brinkmann, die das Ganze bestens organisiert hatte.
Die letzte geplante Lesung des Monats am 30. November in der Berliner Stadtbibliothek Falkenhagener Feld musste dann leider auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Ferne verschoben werden.
Und was kommt?
Damit bleibt auch der Dezember veranstaltungsfrei; aber die Zeit werde ich natürlich nutzen können, um meine diversen Schreibworkshops und -projekte weiter voranzutreiben. Ein neuer Text ist dann auch noch erschienen, und zwar in der soeben im konkursbuch Verlag erschienenen Spezialausgabe des Lesbischen Auges Nr. 21, „Stadt Land Fluss – Herkunftsorte“ : „Für immer zugezogen“ beschäftigt sich mit dem Emsland, wo ich großenteils aufgewachsen bin und kurz vor Weihnachten noch einen Besuch bei meiner Mutter einlegen werde – hoffentlich macht Corona mir da keinen Strich durch die Rechnung …
Einen besinnlichen Dezember wünscht Karen-Susan Fessel!
Online-Workshops: Der nächste Kreativ-Quickie startet am 2. Dezember; Informationen und Anmeldung auch für die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Stig Saeterbakken: Durch die Nacht. Dumont, Köln 2019 / Ole-Jakob, 18, hat sich das Leben genommen. Mutter, Vater und Schwester bleiben geschockt zurück. Hat der Suizid seines Sohnes etwas damit zu tun, dass Karl sich eine Weile zuvor neu verliebt hatte und vorübergehend ausgezogen war? War der Riss innerhalb der Familie einfach zu groß geworden? Auch durch den letzten Roman des norwegischen Autors geht ein Riss: Karls traurig-nachdenkliches Resümee weicht im letzten Drittel einem zusehends surrealistischer wirkenden Erzählstrang, der mich als Leserin einigermaßen ratlos und bekommen zurücklässt. So muss es auch dem Autor ergangen sein, der sich kurz nach Fertigstellung suizidiert hat. // Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse. Claassen, Berlin 2020 / Gewalttätig ist er, der aus einfachsten Verhältnissen stammende Vater in diesem Roman, unberechenbar, rundherum erfolglos – und doch ein innig geliebtes, viel bewundertes Vorbild für den Sohn. Zunächst jedenfalls, aber dann, als die Familie nach dem frühen Krebstod der Mutter zerbricht, verschwindet der Vater aus dem Leben seiner vier Kinder und taucht nur noch sporadisch auf. Christian Baron hat ihm einen ganzen Roman gewidmet und dabei so ganz nebenbei auch die gesellschaftlichen Verhältnisse seziert, die den Vater zu dieser zu jeglicher Kommunikation unfähigen Person haben werden lassen. Das ist gut zu lesen und auch interessant und passt bestens zur momentan vielfach diskutierten Frage der Bedeutung des Klassismus – aber statt dieses literarischen Denkmals für den verstorbenen Vater hätte ich viel lieber ein Buch über die Mutter des Autors gelesen. // Yishai Sarid: Monster. Kein & Aber, Zürich 2019 / Der kurze, aber sehr eindringliche Roman endet mit einem Faustschlag: Der Ich-Erzähler, ein israelischer Tourguide, schlägt einen deutschen Dokumentarfilmer in Treblinka nieder. Wie es dazu kam, erzählt der bekannte israelische Autor in Form eines Rechenschaftsberichtes, der die Leserschaft von Anfang an in den Bann zieht. Zu erfahren, wie der junge Tourguide sein Leben immer mehr der Führung von jungen israelischen Jugendgruppen durch Auschwitz, Treblinka und andere ehemalige Vernichtungslager in Polen widmet und dabei seine eigene Familie immer mehr aus den Augen verliert, das weckt Betroffenheit und Irritation. Die Balance zwischen Abstand und mangelnder Distanzierung gelingt dem Ich-Erzähler immer weniger, zugleich wächst seine Wut ins Unermessliche. Yishai Sarid ist mit diesem schmalen Band ein großer Wurf gelungen. Die Frage nach der Wirkung indes bleibt nicht nur für den Tourguide ungelöst.