Hier kommt die sechsundzwanzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen: Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten …
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Nach dem arbeitsintensiven September mit der punktgenauen Abgabe meines neuen Jugendbuches „Die fünfte Ecke“, das voraussichtlich im Januar 2017 im Oetinger-Taschenbuch-Verlag erscheinen wird, musste ich erstmal tief durchatmen. Einige äußerst arbeitsintensive Wochen lagen hinter mir und die Zeit der zahlreichen Lesereisen, wie immer im Herbst und November, rückte näher. Also verbrachte ich die ersten zwei Wochen des Oktobers– neben der recht vergnüglichen Arbeit mit den TeilnehmerInnen des diesmal ausnehmend gut gebuchten Online-Workshops „Kreativ-Quickie“ – in der Hauptsache mit beschaulichen, eher sinnenfreudigen Tätigkeiten, um mich mental ein wenig auf die kommenden Wochen vorzubereiten. Das klappte gut – und so startete ich Mitte Oktober frisch und munter in die neue Lesereisensaison, beginnend mit einer zehntägigen Österreichtournee.
Den Anfang machten am 16. Oktober zwei Lesungen bei den Linzer Kinder- und Jugendbuchtagen aus „Und wenn schon!“ und (Premiere!) „Was in den Schatten ruht“, meinem neuen Jugendroman, der im August im Kosmos-Verlag erschienen ist. Die Premiere eines neuen Buches ist immer eine brenzlige Angelegenheit; gute Textstellen müssen ausgewählt werden, aber meist zeigt sich erst nach ein, zwei Lesungen, ob sie wirklich richtig geeignet sind.
Und so brauchte ich auch diesmal zwei Versuche, bis ich mich in dieser Hinsicht in mein eigenes Buch hineingetastet hatte: Erst bei den beiden folgenden Lesung drei Tage später in Bad Hofgastein fand ich die perfekten Stellen, um das Publikum auch wirklich mitzureißen und für die spannende Geschichte um Marla, Keno und die anderen Protagonisten, die an einem emsländischen Wassersportsee in Turbulenzen geraten, zu begeistern.
Am selben Ort, in der renommierten Tourismusschule Bad Hofgastein, hatte ich am nächsten Tag bei einem vierstündigen Workshop mit den Maturanten (dt.: Abiturienten) das Vergnügen, regionale Eigenheiten literarisch verpackt kennen zu lernen. Und dazwischen erkundete ich an meinen beiden freien Tagen noch den altehrwürdigen Kurort und per Standseilbahn auch seinen Hausberg, der Schlossalm, wo schon der erste Schnee unter meinen Winterschuhen knirschte …
Weiter ging es dann nach Voitsberg, der Heimat der Lippizanerpferde (wieder was gelernt!), wo ich für weitere 60 Jugendliche aus meinen Werken las und die fantastische Aussicht über diesen Teil der Steiermark vom nächsten Berg genoss, fachkundig informiert von den örtlichen Bibliothekarinnen.
Und auch in Graz, wo ich die nächsten drei Tage verweilte, erklomm ich einen weiteren Berg, den Schlossberg, diesmal allein und zu Fuß. 260 Stufen (zuhause in den vierten Stock sind es nur 98!). Und las, stets bestens betreut und begleitet, an verschiedenen Schulen und Bibliotheken der Stadt aus meinen Kinder- und Jugendbüchern, so dem Bundesrealgymnasium Körösi, der Medien-Handelsakademie und der Stadtbibliothek Nord.
Meine Österreich-Reise wird mir sehr gut in Erinnerung bleiben – zudem war es das erste Mal, dass ich in unserem südlichen Nachbarland aus meinen Kinder- und Jugendbüchern las; bislang war ich hier ausschließlich mit den Werken für Erwachsene unterwegs gewesen. Ich hoffe, es wird nicht dabei bleiben!
Eingefallen ist mir auf der Zugfahrt zwischen Linz und Bad Hofgastein übrigens auch das Thema für ein weiteres Erwachsenenbuch. Mein Notizbuch ist jetzt gut gefüllt, und ich freue mich schon jetzt auf die Umsetzung meiner Ideen ….
Und was kommt?
Erstmal aber stehen im November viele Veranstaltungen an. Aber erst ab der zweiten Woche; nicht aber, dass ich in der ersten Woche in Berlin bliebe – nein, eine private Reise zur Zahnsanierung wartet auf mich: jedoch nicht für mich und auch nicht etwa nach Polen, sondern Hund Luki hat einen Termin beim Tierarzt in Meppen, meiner alten Heimat. Zur Entschädigung wird er dann von seiner „Oma“ dort, meiner Frau Mutter, sicher gut verwöhnt!
Nach unserer Rückkehr nach Berlin mit hoffentlich strahlendem, aber sicher immer noch schiefem Hundegebiss werde ich am 11. November in der Kreuzberger Lenau-Schule in Berlin für die 5. Klassen lesen. Nahezu tragisch: Seit der ersten Klasse hat das Söhnchen darauf gewartet, dass ich endlich auch für ihn in seiner Schule vorlese, aber nun wird es wieder nichts, da er ja inzwischen auf der Staatlichen Ballettschule Berlin tanzt und lernt … Zumindest aber kommen seine ehemaligen KlassenkameradInnen in den Genuss, und Grüße ausrichten werde ich dann in beide Richtungen.
Danach lese ich am 12. und 13. November in den Berliner Stadtbüchereien Tempelhof und Lichtenrade, um am 15. November dann zu den Schleswig-Holsteiner Kinder- und Jugendbuchwochen aufzubrechen. Brunsbüttel, Neumünster, Lensahn lauten die diesjährigen Stätten meines Wirkens, vortragen und diskutieren mit den norddeutschen Kindern und Jugendlichen werde ich jeweils in den örtlichen Büchereien und logieren wie immer bei meiner lieben „älteren“ Freundin und Ziehtante M. im beschaulichen Ottendorf nahe Kiel …
… um unmittelbar im Anschluss darauf am 22. nach Zürich zu fliegen. Wie jedes Jahr seit 2003 lese ich dort eine Woche auf Einladung des Volksschulamtes aus meinen Büchern für Kinder und Jugendliche, in dieser Woche besonders geballt: gleich fünfzehnmal in fünf Tagen!
Und danach geht es gleich am 29. November um 15h in den Berliner Eisenherz-Buchladen, um beim Lesbischen Literatursalon als Stargast aus meinen Büchern zu lesen und dem Nähkästchen zu plaudern und kluge Fragen zu beantworten. Nur vier Tage später aber wartet schon die nächste Veranstaltung, auf der ich wiederum selbst kluge Fragen stellen werde: In den heiligen Hallen der Berliner Literaturwelt, dem Literarischen Colloquium am schönen Berliner Wannsee, moderiere ich zu meiner Freude eine Veranstaltung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema „weiblich – männlich – fließend“. Gleich drei Autoren – Aris Fioretis, Thomas Meinecke und Jayrome Robinet – treten an, um literarische und vielleicht auch private Positionen zum obigen Thema zu erörtern. Das lässt Spannendes erwarten, und wer dann im Publikum tapfer durchgehalten hat (und womöglich auch selbst kluge Fragen gestellt hat!), wird mit einem akustischen Plattenteller vom auch als DJ bekannten Thomas Meinecke belohnt.
Zum Schreiben bleibt in diesem Monat sichtlich so gut wie keine freie Minute. Aber zum Lesen, denn das geht für mich ja seit Kindheit an immer … und damit wird es nach 25 Ausgaben endlich Zeit, eine Neuerung einzuführen: Ab jetzt gibt es am Ende jeder Monatsbotin mit der Rubrik „Ausgelesen“ eine kurze Übersicht über die von mir im jeweiligen Monat gelesenen Bücher, inkl. Kurzbesprechung.
Und wenn auch nur ein Fitzelchen Zeit bleibt, geht es endlich, endlich ans lange geplante und immer wieder verschobene Einlesen der Hörbücher, allen voran „Bronko, meine Frau Mutter und ich“…
Einen munteren November wünscht Karen-Susan Fessel!
Öffentliche Termine im November: Leider sind alle 26 Lesungen in diesem Monat nicht öffentlich! Aber die beiden literarischen Salons sehr wohl: 29. November, Berlin, Eisenherz Buchladen, Motzstraße 23, Schöneberg 15h: Lesbischer Literatursalon, Gast: Karen-Susan Fessel // 3. Dezember, Literarisches Colloquium Berlin, Am Sandwerder 5, Wannsee, 19h: Der literarische Salon: weiblichmännlichfließend, Moderation: Karen-Susan Fessel
Onlineworkshops: Der nächste Kreativ-Quickie beginnt am 4. November, ein späterer Einstieg ist ebenfalls möglich! Weitere Informationen und Anmeldung auch für die Workshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ sowie Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Anna Katharina Hahn: Kürzere Tage. / Höchst erfreuliche Neuentdeckung, die ich dem Harenberg Literaturkalender 2015 zu verdanken habe. Genaue Beobachtungen zweier Paare, die sich gut eingerichtet zu glauben haben; die Abgründe aber lauern direkt hinter der Tür. // Gerhard Henschel: Abenteuerroman. / Das deutsche, aber ungleich bessere, weil weitaus weniger selbstverliebte Pendant zu Karl Ove Knausgårds selbstverliebter Lebensbeichte. Henschel besticht durch vergnügliche Reminiszenzen an die 80er, schreibt geistreich, hie und da eitel und zuweilen auch sehr sarkastisch, aber so amüsant, dass ich ihm auch die dauernde Meppen-Schelte verzeihen kann. Im Gegensatz zu mir kann Henschel der Stadt, in die wir beide mit einem Jahr Unterschied als vorpubertäre Kinder zogen und die wir, immer noch mit einem Jahr Unterschied, nach dem Abitur wieder verließen, nichts abgewinnen. Meines Wissens sind wir uns in Meppen nie begegnet, obwohl wir dieselbe Schule besuchten und nahe beieinander wohnten. Zumindest kann ich mich nicht an ihn erinnern. Aber vermutlich war auch ich nur eine von den vielen grässlich ignoranten jungen Meppener Frauen, die ihn schlichtweg nicht beachteten, wie er ausführlich in seinen Elegien beschreibt? // Göran Rosenberg: Ein kurzer Aufenthalt auf dem Weg von Auschwitz. / Vielfach prämierte Erinnerungsarbeit des Sohnes eines KZ-Überlebenden, der die Gräuel der Vergangenheit nicht abschütteln, noch überwinden konnte. Überzeugte mich nur teilweise; zu sehr stand der Sohn im Vordergrund, berührend dennoch der liebevolle Versuch, den verlorenen Vater zu erkennen und zu würdigen. // Tadeusz Sobolewicz: Aus der Hölle zurück. / In diesem Jahr habe ich mich als Lesende in der Hauptsache mit Literatur zur NS-Zeit befasst; dies Werk, ein nüchtern abgefasster, klarer Bericht eines zwölf Jahre währenden Martyriums in gleich sechs Konzentrationslagern, wird mir als eines der eindringlichsten Arbeiten in Erinnerung bleiben. Sobolewicz‘ Kraft hat nur – oder besser: genau – für dieses eine Buch gereicht, es wäre auch durch kein weiteres zu überrunden gewesen. Absolute Empfehlung! // Wendy Lower: Hitlers Helferinnen. / Schwach hingegen dieses nur mäßig gut recherchierte Werk, das mich mit nicht belegten Behauptungen und Allgemeinplätzen permanent ärgerte und schließlich dazu brachte, es nach knapp einhundert Seiten beiseite zu legen. Von „Hitlers Helferinnen“ weiß ich nach dieser Lektüre keinen Deut mehr als das, was ich schon vorher vermutete. // Henning Mankell: Treibsand. Was es bedeutet, Mensch zu sein. / Ach, schade – mit Henning Mankell ist ein interessanter Denker gegangen. In seinem wohl persönlichstem Werk, das zwar biographisch erzählt, dabei aber ganz uneitel und zurückhaltend daherkommt, spannt Mankell gekonnt den Bogen zwischen individuellen Ängsten –bei Mankell war im Januar 2014 eine schwere Krebserkrankung diagnostiziert worden – und allumfassenden philosophischen Betrachtungen des Wohls und Wehes der Menschheit. Mag sein, dass er ein bisschen zu sehr und zu oft auf dem Atommüll herumreitet, den wir unseren Nachfahren als einziges Erbe hinterlassen – mit diesem episodenhaft angelegtem Buch hat der weltberühmte und kürzlich verstorbene Krimi- und Kinderbuchautor sich mir auf berührende und auch tröstliche Weise ins Gedächtnis geschrieben.