Hier kommt die hundertdritte Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Überraschend warm wurde es im Oktober, aber das wundert ja niemanden mehr in diesen Zeiten … und den Heizkosten kam es auch zu Gute. So ließ es sich im Arbeitszimmer im vierten Stock, zur Nordseite gelegen, noch ganz gut aushalten, ohne die Heizung allzusehr hochdrehen zu müssen. Die Arbeit am nächsten Jugendbuch ging dann auch ganz gut voran und wurde nur von zwei Reisen unterbrochen: Mitte des Monats ging es auf Kurzreise zur lieben alten Freundin nach Kiel und dann weiter zur Mutter nach Meppen, um dort die Wohnung ein bisschen aufzuhübschen; eine Tätigkeit, die mir immer wieder Spaß macht. Das Ergebnis: ein helles, schimmelfreies Schlafzimmer, das sich sehen lassen kann. Und gemeinsames Aussortieren von Unterlagen und Broschüren, die keiner mehr braucht und in die niemand je wieder hineinsehen wird; eine famose Übung in Loslassen, was ja wiederum eines meiner Lieblingsthemen ist, im Beruflichen wie auch Privatem …
Zurück in Berlin, ging es dann bald wieder los zur Frankfurter Buchmesse, um zunächst im nahen Bad Homburg zu übernachten und dann am nächsten Morgen einen kleinen Messekürlauf hinzulegen: Nach Kurzbesuchen an den Ständen meiner verschiedenen aktuellen Verlage, als da wären der Querverlag, der Psychiatrieverlag und der konkursbuchverlag Claudia Gehrke, ging es dann zum Verla
Tontechniker Michael vom Oetinger Verlag hatte auch die Monitore bestens im Griff
g Friedrich Oetinger, der mich zu einer Lesung aus meinem neuen Roman „Blindfisch“ eingeladen hatte. Der gut vorbereitete und redegewandte Moderator Lennart Schäfer erfreute mich und das Publikum mit interessanten Fragen, eine gelungene Veranstaltung!
All das machte den Kurztripp zu einem wahren Vergnügen – so fuhr ich fröhlich wieder nach Hause.
Und widmete mich neben der Schreibarbeit dann auch wieder mittwochs dem achtwöchigen Schreibworkshop für den Verein JES NRW e.V., der Interessenvertretung für Drogen gebrauchende Menschen, Ehemalige und Substituierte, der mir ungemein viel Freude macht …
Und was kommt?
… und noch den ganzen November weiterläuft, dann parallel zum sechswöchigen Online-Workshop, den ich für die Aids-Hilfe NRW e.V. anbieten darf. Dazu kommen wie immer im November reichlich Lesungen: zunächst am 8. und 10. November die im September krankheitsbedingt ausgefallenen Kinderbuch-Lesungen im Berliner Theater Morgenstern und der Tucholsky-Bibliothek, dann reise ich vom 14. bis 18. November zur Kinder- und Jugendbuchwoche nach Göttingen, um in verschiedenen Schulen in Göttingen, Northeim, Einbeck und Duderstadt vorzutragen, danach geht es dann in der Woche darauf auf Einladung der Pädagogischen Hochschule Luzern nach Wollerau, Edingen und Luzern. Also volles Programm!
Einen ereignisreichen November wünscht Karen-Susan Fessel!
Online-Workshops: Der nächste Kreativ-Quickie startet am 1. Dezember; Informationen und Anmeldung auch für die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Andrea Rödig: Man kann Müttern nicht trauen. dtv, München 2022 / Ein seltsamer Titel – das finde ich auch nach der ein wenig zwiespältigen, aber immer mitreißenden Lektüre dieses autobiografischen Romans über eine tragische Gestalt, die immer wieder im Leben der Autorin auftaucht und verschwindet und nie so ganz ergründet wird. In den letzten Jahren erscheint ja eine ganze Reihe von Büchern, in denen die Autorinnen mit ihren unnahbaren Müttern abrechnen; dieses hier zählt zu den eindringlichsten. Doch der Klappentext wie auch die sonstigen Zusammenfassungen, die ich über das Buch gelesen habe, sind schlichtweg unrichtig: Nicht hat die Mutter die Familie verlassen, sondern die Kinder wurden ihr entrissen und vorenthalten, als die Ich-Erzählerin 12 Jahre alt war. Für mich als Leserin ändert das vieles im Hinblick auf die Rezeption des Werkes, aber mehr will ich dazu nicht verraten: lieber selbst lesen, es lohnt sich! // Shon Faye: Die Transgenderfrage. Ein Aufruf zu mehr Gerechtigkeit. Hanser Verlag, München 2022 // Wer sich gründlich in das Thema Transgender einlesen möchte, dem sei dieses umfassende Werk an Herz gelegt. Die junge britische Autorin legt damit ein Grundlagenwerk zu allen Themen, die Trans*Menschen betreffen und bewegen, vor und zeigt zugleich Lösungsansätze auf. Ein wenig bedauerlich jedoch: Auch wenn aktuelle Daten aus Deutschland mit in die Übersetzung mit eingeflossen sind, wird dennoch immer deutlich, dass es sich um die Analyse britischer Verhältnisse handelt, eben nicht deckungsgleich mit den deutschen. Gleichwohl sehr informativ. // Christoffer Carlsson: Was ans Licht kommt. Kriminalroman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2022 / In derselben Nacht, als Olof Palme in Stockholm erschossen wird, meldet sich wein Mann telefonisch bei der Polizeiwache im südschwedischen Halmstad und erklärt, eine Frau ermordet zu haben: „Und ich werde es wieder tun.“ Kommissar Sven Jörgensson ist der Erste am Tatort, und er ist auch der Erste, der spürt, dass der Täter Wort halten wird … So beginnt der spannende Roman um eine Mordserie, die einen ganzen Landstrich in Atem halten und das Leben mehrerer Familien für immer verändern wird. Carlssons sehr spannend geschriebenes Werk ist beste Kost für lange Winterabende, auch wenn mich ein gravierender Perspektivbruch zu Anfang fast davon abgehalten hätte, weiterzulesen. Aber auch dieser klärt sich am Ende noch auf. Bestimmt nicht das letzte Buch, das ich von diesem Autor gelesen habe.
Unter der Lupe: Meine Werke
Nr. 2: Heuchelmund (1995)
Im Januar 1994, also knapp zehn Monate vor der Veröffentlichung meines ersten Romans „Und abends mit Beleuchtung im Oktober 1994 konkursbuchverlag Claudia Gehrke in Tübingen erschien im selben Verlag meine erste erotische Erzählung: „Der richtige Name“ wurde im Sammelband „Mein heimliches Auge IX“ gedruckt, ein Text, den ich auf Anfrage des Verlages hin an einem Tag heruntergeschrieben hatte. Erstaunt darüber, wie leicht mir das Verfassen dieser kurzen erotischen Erzählung gefallen war, schrieb ich in loser Folge einige weitere, und mit jeder folgenden wurde mir klarer, dass mir das Verfassen erotischer Texte einfach liegt. Das sah auch meine Verlegerin Claudia Gehrke, die mich deshalb kurz nach der Frankfurter Buchmesse 1994 fragte, ob ich nicht einen ganzen Band mit derlei Erzählungen schreiben wollte. Wollte ich. Und so machte ich mich mit Feuereifer daran, die nächsten erotischen Geschichten zu schreiben, fast alle mit lesbischen Bezügen, einige davon auch mit leicht sado-masochistischen Anflügen, was kurz nach Erscheinen im Hebst 1995 mehrere der damals noch in allen größeren Städten vorhandenen Frauenbuchläden dazu bewog, mein Buch zu boykottieren und mich nicht zu Lesungen einzuladen. Der Vorwurf: Mein Buch „Heuchelmund“ enthalte gewaltverherrlichende und frauenverachtende Pornografie. Was mich wiederum dazu brachte, mich noch einmal eingehend mit der Definition und Bedeutung von Pornografie zu befassen. Das Resultat: Mein Buch enthält weder Texte, die Frauen verachten noch Gewalt verherrlichen, und auch keine Pornografie, sondern Erotik. Der Unterschied, ganz marginal heruntergebrochen: Pornografie beschreibt sexuelle Akte, um Lust zu entfachen, Erotik schildert sexuelle Thematiken, mit Sehnsucht verbunden. Die Frage, warum ich solche Texte schreibe, kann ich seitdem gut beantworten: Weil ich es gut kann. Viel spannender hingegen finde ich ja auch die Frage, warum die Menschen so gern derartige Texte lesen. Denn „Heuchelmund“ ist bis heute eines meiner meistverkauften Bücher; zu schade, dass die damalige Verlagsauslieferung ein Jahr später in Konkurs ging und mir somit ein hoher vierstelliger Betrag an Autorenhonorar komplett verlorenging. Was mich aber nicht davon abhalten sollte, schon am nächsten Buch zu arbeiten …
Ein ganz besonderes und bisher einmaliges Erlebnis bescherte mir der Erzählband, zu dem meine damalige Freundin Gabriele-Maria Scheda, heute als Künstlerin international bekannt unter dem Namen Jonny Star, sowohl das Umschlagfoto als auch mehrere weitere Fotos im Innenteil beitrug, in einer Berliner Buchhandlung: Ich stöberte gerade im Krimiregal, als ich am Tresen eine Frau fragen hörte: „Haben Sie ein Buch von einer Karin Fessler oder so ähnlich, der Titel heißt ungefähr Heuchelmond?“ Die Buchhändlerin runzelte die Stirn und schlug ihren Katalog auf, und ich nahm meinen Mut zusammen, trat vor und sagte: „Heuchelmund. Das Buch heißt Heuchelmund, von Karen-Susan Fessel“. Die Kundin nickte: „Ja, genau!“, die Buchhändlerin nickte ebenfalls und klappte den Katalog wieder zu, und ich ging mit rotem Kopf und rasendem Herzen hinaus. Hach, war das schön!
Karen-Susan Fessel: Heuchelmund. konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 1995, 160 Seiten, 10,50 €