Hier kommt die dreiundachtzigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen! Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten … Wer lieber Ruhe wünscht, desgleichen!
Und: Wer nicht lesen will, kann hören: hier!
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Gleich zwei Monate liegen hinter mir, die ich jetzt tunlichst zusammenfassen möchte, um meiner werten Leser*innenschaft einen Rundumeinblick in mein Schaffen in dieser Zeit zu geben. Da muss ich nun ja richtig weit zurückblicken – in den Oktober, der sehr weit zurückzuliegen scheint. Einigermaßen von meiner zweiten Karpaltunneloperation (diesmal der rechten Hand) genesen, gelang es mir tatsächlich noch, gerade rechtzeitig vor dem nächsten Teillockdown eine Lesereise nach Baden-Württemberg zu unternehmen. Am 11. Oktober also reiste ich auf Einladung der Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen nach Baden-Württemberg und besuchte im Laufe der Woche Schulen und Bibliotheken in Lehrensteinsfeld, Unterriet, Untergruppenbach, Nürtingen, Deggingen, Schwaikheim und Gerstetten. Meistgewünschter Titel dabei: „Frieda Fricke, unmöglich“. Das bedeutete, ich hatte jede Menge 8-10-Jährige vor mir, allerdings nicht so viele wie ursprünglich geplant – denn die Teilnehmer*innenzahl wurde durch die steigenden Corona-Zahlen deutlich nach unten begrenzt. Und fast hätte alles dann doch nicht geklappt, denn unmittelbar vor Antritt der Reise wurde Berlin zum Corona-Hotspot erklärt. Und gleich das erste Hotel, das ich nach siebenstündiger Autofahrt erreichte, wollte mich dann deshalb auch nicht beherbergen. Doch zum Glück hatte ich akribisch vorgesorgt und einen nagelneuen Covid-19-Test sowie eine Bescheinigung dabei, dass ich mich nach dem Test nicht in Berlin-Kreuzberg, sondern im Brandenburgischen aufgehalten hatte. So klappte es denn doch noch mit der Übernachtung, misstrauisch beäugt wurde ich vom Hotelpersonal dennoch. Die weiteren vier Nächte jedoch verbrachte ich dann allesamt in einem Reutlinger Hotel, statt täglich weiterzureisen, denn auch die danach gebuchten Hotels wollten einen max. 48 Stunden alten Covid-19-Test vorgelegt wissen, was mir verständlicherweise nicht möglich war. Aber immerhin konnte ich im Freiluftpool jeden Tag schwimmen, allerdings mit mehreren Schichten Pflastern und Plastikhandschuhen um die frische OP-Narbe. Nun, die Corona-Regelungen haben eben so ihre Tücken, aber immerhin ging dann bei den Lesungen alles glatt und es machte mir wirklich viel Freude, aus „Frieda Fricke“ vortragen zu können. Autogrammkarten konnte ich hingegen nur bedingt verteilen, auf Zuruf aus der Ferne nämlich, was nur bei einer kleinen Teilnehmer*innenanzahl möglich war.
Die weiteren geplanten Lesungen wurden dann allesamt abgesagt oder verschoben, so auch meine Reise zu den Bad Harzburger Kinder- und Jugendbuchwochen, die Lesungen in Berlin-Falkenhagener Feld, Falkenberg/Elster und Luzern wie auch der Schreibworkshop in Bremen. Letzterer ist nun für das Wochenende 26. und 27. Juni 2021 geplant, die Reise nach Bad Harzburg ist auf den Oktober kommenden Jahres verschoben, und zwei der Luzerner Lesungen habe ich online durchgeführt, weitere folgen dann noch am 17. und 18. Dezember. Geht also auch und macht sogar Spaß – auch das Autogramme schreiben über knapp tausend Kilometer Entfernung hinweg!
Sehr beschäftigt war ich dann im Oktober noch – abgesehen von den weiter gut laufenden Online-Workshops – mit den Vorbereitungen für mein aktuelles Buchprojekt: Für den Psychiatrie-Verlag arbeite ich an einem Band mit Reportagen von Paaren, die – entweder eine/r oder beide – an psychischen Erkrankungen leiden oder gelitten haben. Die Vorauswahl zu treffen, war allein schon nicht einfach; auf einen öffentlichen Aufruf des Verlages hin, erschienen auf mehreren Plattformen, meldeten sich zahlreiche interessierte Paare, die ich am liebsten allesamt interviewt hätte. Aber nur elf fanden aus Platzgründen schließlich den Weg in die Endauswahl. Drei in Berlin ansässige habe ich bereits im Oktober interviewt und vier weitere Paare auf einer eigens dafür geplanten kleinen Rundreise durch Nord- und Mitteldeutschland. Die letzte vier Interviews stehen dann im Dezember und Januar noch an. Das war ungemein spannend und vor allem sehr intensiv, eigentlich habe ich auf und nach der Reise kaum eine Nacht richtig geschlafen, weil mich die Gespräche so sehr beschäftigt haben.
Und was kommt?
Nun geht es an die Ausarbeitung und teils auch schon Überarbeitung der Texte, was mir ausnehmend viel Freude macht – gut und gern könnte ich mich damit noch ein weiteres halbes Jahr beschäftigen, aber Abgabe des gesamten Textes ist bereits im Januar. Schade fast!
Die Überarbeitung der Sonderedition meines vergriffenen Kinder- und Jugendbuches „GG-was ist das?“ hingegen habe ich ausgesetzt; die Geschichten selbst bleiben in der Originalform bestehen, ein neuer Mantelteil wird aber von einem Autorenkollektiv übernommen, was mir sehr gut passt. Mehr dazu, wenn das ganze aktuell wird.
Und Lesungen gibt es auch noch im schönen Dezember, drei durch den Berliner Autorenfonds geförderte und aus dem Frühjahr verschobene nämlich: am 1. Dezember im Berliner Rosa-Luxemburg-Gymnasium, am 9 Dezember in der Lichtenrader Annedore-Leber-Grundschule und am 10. Dezember in der Grundschule am Tempelhofer Feld. Wollen wir hoffen, dass Corona hier nicht noch einen letzten Strich durch die Rechnung macht!
Ja, und jetzt doch noch mal eine kleine Erklärung: Die letzte Monatsbotin musste leider ausfallen, nicht etwa, weil ich durch Covid-19 lahmgelegt wurde, sondern weil sich die Operationsnarbe an meiner rechten Hand fünf Wochen nach der Karpaltunneloperation schwer entzündet hatte. Zwei Wochen lang durfte ich also das rechte Handgelenk, das mit einer Schiene zudem stillgelegt war, nicht bewegen, eine wahre Tortur für mich, die ich doch täglich tippe oder per Hand schreibe. Aber nun ist alles fast wieder gut. Deshalb:
Einen friedlichen Dezember wünscht Karen-Susan Fessel
Online Workshops: Die nächsten Kreativ-Quickies starten am 3. Dezember und 6. Januar; Informationen und Anmeldung auch für die neuen Onlineworkshops „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ und das Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Randi Crott und Lilian Crott Berthung: Erzähl es niemandem. Die Liebesgeschichte meiner Eltern. Dumont, Köln 2013 / Lilian ist 19, als sie den deutschen Soldaten Helmut kennen- und liebenlernt. Das aber darf zunächst niemand erfahren, den Lilian lebt in Norwegen und Helmut ist feindlicher Besatzer – und Sohn einer jüdischen Mutter. Die Liebenden müssen schweigen, aber natürlich bleibt die Liaison den Nachbarn in der nordnorwegischen Kleinstadt nicht verborgen. Nun sind beide in Gefahr … Erst viele Jahrzehnte später lüftet Lilian ihrer Tochter gegenüber das Geheimnis. Und gemeinsam machen die beiden Frauen sich auf die Reise in die Vergangenheit. Ein sehr bewegendes biografisches Buch, das noch dazu ausnehmend gut geschrieben ist! // Deniz Ohde: Streulicht. Suhrkamp, Berlin 2020 / Die Mutter der namenlosen Ich-Erzählerin stammt aus der Türkei und kann kaum lesen und schreiben, der Vater, deutscher Arbeiter, spricht kaum, schlägt seine Frau und sammelt alles, was man noch gebrauchen könnte. Was soll aus der Tochter solcher Leute schon werden? Deniz Ohde, 1988 in Frankfurt/Main geboren, macht sich auf Spurensuche im Ruhrpott und zeichnet dabei das eindringliche Bild einer mehrdimensionalen Klassengesellschaft, in der die Einsamen von vorneherein die Verlierer zu sein scheinen. Aber sie zeigt auch, wie es gelingen kann, sich daraus herauszukämpfen. Selten habe ich einen deutschen Roman gelesen, der Sprachlosigkeit auf vielen Ebenen so wortreich und detailliert beschreiben kann. Ein großer Erstlingswurf! // Heidi Benneckenstein: Ein deutsches Mädchen. Mein Leben in einer Neonazi-Familie. Tropen, Stuttgart 2019 / Ebenfalls eine Parallelgesellschaft wird in dieser Autobiografie präsentiert, auf andere Art eindringlich: Benneckenstein, geboren 1992, wächst in einer stramm rechten Familie auf; ihr Lebensweg scheint vorprogrammiert: Kinder, Küche, Linientreue. Doch sie bricht aus, gemeinsam mit ihrem Mann kehrt sie dem Neonazimilieu den Rücken. Was genau jedoch den Antrieb dazu gab und wie die Autorin ihre neuen Überzeugungen gewinnt, bleibt letztlich nebulös, und genau deswegen wirkt dieses „Aussteigerbuch“ am Ende dennoch unentschlossen. Sehr bestürzend jedoch die Beschreibungen der Kinder- und Jugendcamps der Heimattreuen deutschen Jugend, in denen noch heutzutage junge Menschen auf nationalsozialistische Spur gedrillt werden, und deshalb durchaus lesenswert.