Hier kommt die dreißigste Ausgabe der Monatsbotin von Karen-Susan Fessel – mit Notizen, Gedanken und Terminen vom Schreibtisch aus dem vierten Stock in Berlin-Kreuzberg!
Wem sie gefällt: liebend gern weiterempfehlen: Eine kurze Mail mit dem Hinweis „Monatsbotin gewünscht“ an kontakt@karen-susan-fessel.de – und schon liegt sie Monat für Monat im virtuellen Briefkasten …
Viel Spaß beim Lesen wünscht Karen-Susan Fessel!
Was war?
Der Februar begann mit einer lange geplanten Bildungsreise: Südostpolen mit Krakau stand auf dem Programm, gefolgt von einem Besuch in Auschwitz. Wer die Buchtipps in den vergangenen Monaten aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass ich mich literarisch schon seit geraumer Zeit mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt habe. Nun stand die direkte Anschauung des größten Konzentrations- und Vernichtungslagers der Nazis an. Zuvor aber besichtigte ich unter fachkundiger Leitung – wie schon in Breslau und vorher noch Serbien erfreute mich mit fein abgestimmten Vorträgen mich mein Freund, der werte Kunsthistoriker und Galerist – Dr. Stefan Rasche die historische Innenstadt Krakaus, die komplett erhalten geblieben ist und viele Spuren der deutschen Besatzungszeit zeitigt. Über den Umgang unserer polnischen Nachbarn mit den Spuren und Stätten aus der NS-Zeit lässt sich allerdings streiten. Dem ehemaligen Ghetto und seiner nahezu ausgelöschten Bevölkerung – immerhin fast 70000 Menschen – wird zwar mit einer Dauerkunstinstallation im öffentlichen Raum und einem kleinen Museum gedacht, vom KZ Plaszow jedoch sind nur ein paar verwahrloste Ruinen übrig, und das Haus des sadistischen Kommandanten Amon Göth wird gerade zu Wohnzwecken schick renoviert; für Gedenktafeln ist da offenbar kein Raum mehr. Nach einem Abstecher nach Nowa Huta, ist der zweitgrößten sozialistischen Musterstadt weltweit, die in ungepflegtem Zustand auf die Aufnahme ins UNESCO-Weltkulturerbe wartet, verbrachten wir dann zwei Tage in Auschwitz, um sowohl das Stammlager als auch das Arbeits- und Vernichtungslager Birkenau ausführlich zu besuchen. Das war sehr bewegend und verstörend, aber auch irritierend. Das Stammlager präsentiert sich als eine gut organisierte Touristenattraktion, im Gänsemarsch geht es sogar durch die ehemalige Gaskammer, was ich persönlich als extrem unangemessen empfand. Dennoch, meiner Ansicht nach sollte jeder Deutsche diese Stätte einmal im Leben besuchen, in weiterführenden Schulen sollte das zum Pflichtprogramm in Klasse 10 gehören.
Zuhause erwartete mich erfreuliche Post: meine zehn Belegexemplare meines neuen Kinderbuches „Hip-Hop, Hund und Herzgehüpfe“ (Kosmos, ab 10) waren angekommen! Die turbulente Geschichte um die beiden ungleichen Zwillingsgeschwister handelt unter anderem Tanzkünste, alleinerziehende Väter und moderne Genderthematiken ab; so viele Lesungen wie aus diesem Buch habe ich selten vorab schon vereinbart. Ich bin gespannt, was die Fünft- und Sechstklässler dazu sagen werden!
Spaß gemacht haben mir aber im vergangenen Monat die vier Lesungen in Schleswig-Holstein im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Westküste denkt Queer“. Am 16. Februar in der Stadtbücherei Leck erfreuten mich die interessierten Zuhörerinnen, vornehmlich aus Kreisen des Landfrauenvereins, mit dem Hinweis, dass meine Piper-Taschenbücher ebendort gedruckt wurden (na klar – Druckerei Bosse & Leck!), am nächsten Abend in der Stadtbücherei Heide setzte sich das ebenfalls fast ausschließlich weibliche und sehr interessierte Publikum aus einem weitaus ausgedehnteren Umfeld zusammen. Schon am Morgen hatte ich vor gut vierzig BerufsschülerInnen eine Werkschau präsentiert, am nächsten Morgen wiederum in der Stadtbücherei Husum waren es dann zwei 7. und 8. Klassen, die gebannt „Steingesicht“ und „Liebe macht Anders“ lauschten und hinterher rege Fragen stellten. Alles in allem eine sehr gelungene Lesereise in mein Geburtsbundesland; ich hoffe, die nächste lässt nicht allzu lang auf sich warten!
Geschrieben habe ich natürlich auch – mein Ziel von 40 Seiten für mein privates Romanprojekt habe ich dabei nicht ganz erreicht, aber dafür gibt es gute Gründe: die vielen Anmeldungen für die Onlineworkshops nämlich. Das Biografische Schreiben ist dabei der Favorit, und genau dieser Workshop ist auch der am meisten arbeitsintensive für mich – der aber ungemein viel Spaß macht. Darin stehen ihm allerdings die anderen sowie die beiden sehr vielversprechenden gerade laufenden Schreibcoachings in nichts nach …
Und was kommt?
Neben den weiter laufenden Workshops natürlich die nächsten 40 Seiten des privaten Romanprojekts, das im April dann fertig werden soll. Dazu wollen noch zwei Kinderbuchexposés geschrieben werden, die mir seit längerem im Kopf herumspuken – so etwas muss dann mal endlich in Kurzform aufs Papier, damit es erst mal Ruhe gibt. Und dann stehen die ersten Lesungen aus „Hip-Hop, Hund und Herzgehüpfe“ an: am 16. März in der Stadtbücherei Falkenberg, am 19. und 20. März dann auf der Leipziger Buchmesse. Und dazwischen bin ich am 18. Zu meiner großen Freude erneut Mitglied der Jury zur Bezirksausscheidung des Vorlesewettbewerbs der 6. Klassen in der Zentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg. Auf die aufgeregten VorleserInnen freue ich mich ganz besonders, schließlich ging es mir damals in grauer Vorzeit als 6.Klässlerin in der Meppener Musikschule beim Kreisausscheid genauso. In ebenjener Musikschule, das am Rande bemerkt, hatte ich nicht nur jahrelang Blockflötenunterricht, sondern heute wohnt meine Mutter direkt daneben, sodass ich bei jedem Besuch in Erinnerungen schwelgen kann. Was ich ohnehin sehr gern mache …
Einen erquicklichen Ostermonat wünscht Karen-Susan Fessel!
Öffentliche Termine im März: 19. März, Messe Leipzig, Lesebude 1, 16h: Lesung aus „Hip-Hop, Hund und Herzgehüpfe“ // 20. März, Leipzig, Lesebude 1, 15.30H: Lesung aus „Hip-Hop, Hund und Herzgehüpfe“
Onlineworkshops: Informationen und Anmeldung für die Workshops „Kreativ-Quickie“, „Mein Buch“ und „Biografisches Schreiben“ sowie Einzelcoaching unter www.karen-susan-fessel.de/seminare
Ausgelesen: Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend. / Selten hat mich ein biographisches Werk derart gefesselt wie dieses. Zum Glück hat Ruth Klüger anlässlich des 71. Jahrestages der Befreiung Auschwitz‘ vorm deutschen Bundestag ihre bewegende Rede gehalten, sonst wäre mir dieses Werk womöglich entgangen. In klarer, berichtet Klüger von ihrer zusehends mehr eingeschränkten Kindheit in Wien, der Deportation nach Theresienstadt, Auschwitz und Groß-Rosen und den Folgen, die diese Zeit auf ihr ganzes Leben hatte. Entstanden während des Aufenthaltes einer Gastprofessur in Göttingen, macht das schmerzlich direkte Werk deutlich, welchen einschneidenden Aderlass an intellektuellen und kreativen Köpfen Deutschland auch noch lange nach Ende der Kriegszeit selbst verschuldet hat. Um es mit Robin Williams zu sagen: „You killed all the funny people.“ Und um die anderen klugen Köpfe zu halten, tat Deutschland später einfach zu wenig. // Thomas Buergenthal: Ein Glückskind. Wie ich als kleiner Junge Auschwitz überlebte und ein neues Leben fand. / In dieselbe Kategorie gehört die Biografie des gebürtigen Tschechen, dessen deutschstämmige Eltern bereits 1933 die Katastrophe vorausahnten, ihr aber dennoch nicht mehr entfliehen konnten. Buergenthal, der nach dem Krieg Jura studierte sich als Richter am Interamerikanischen Gerichtshof, der UN-Wahrheitskommission und des Internationalen Gerichtshof zeitlebens aktiv für die Menschenrechte einsetzte, wurde als 11jähriger aus Sachsenhausen befreit und fand nach großen Wirren seine Mutter – in Göttingen (!) – wieder, zog aber bereits als Jugendlicher nach Amerika. Tipp: Klügers und Buergenthals Bücher direkt hintereinander lesen! // Peter van Gerstel: Wintereis. / Auf der Zeitschiene geht es direkt in die Nachkriegszeit, ins Jahr 1947 nach Amsterdam, wo der 12jährige Thomas Freundschaft mit dem gleichaltrigen Piet und dessen etwas älterer Cousine schließt. Um deren Familie rankt sich ein trauriges Geheimnis, das sich Thomas, der mit dem Zerfall der eigenen Familie zu kämpfen hat, nur langsam erschließt. Dies sehr poetische, sprachgewaltige Jugendbuch rankt sich um eine große Freundschaft und das Aushalten von Verlust, und wieder rettet sich ein junger Jude nach Amerika, zum großen Kummer der Zurückbleibenden. // Petra Ivanov: Escape / Kein anderes Jugendbuch wurde mir von Schweizer Jugendlichen so oft empfohlen wie dies – zu Recht: Escape erzählt die Geschichte einer verbotenen Liebe, zwischen Leotrim, dessen Eltern aus dem Kosovo stammen, und der Schweizerin Nicole. Leotrims Aufbegehren gegen den despotischen Vater und sein innerer Zwiespalt zwischen den eigenen Wünschen und dem Festhalten am Familienverbund ist spannend und einfühlsam erzählt; in deutsche Verhältnisse übersetzt, werden sich auch viele türkische und arabische Jugendliche hier wiederfinden, so sie sich denn zur Lektüre entschlössen … // Christine Fèher: Weil ich so bin. / Kurze, prägnante Lektüre für leseschwache SchülerInnen zu aktuellen Themen, unter dieser Prämisse lassen sich die Werke der neuen Reihe „Carlsen Clip“ zusammenfassen. Das Werk der preisgekrönten Berliner Jugendbuchautorin Christine Féher erzählt von Jona, 15 Jahre alt, intersexuell, der/die sich relativ mühelos über die Konventionen hinwegzusetzen vermag und mal im Kleid, mal in Hosen in der Schule erscheint. Für mein Empfinden vielleicht ein wenig zu mühelos, aber ein guter Einstieg ins Thema für die richtige Zielgruppe. Und ein Happy-End gibt’s auch noch dazu!